Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Heribert von Dalberg

Stuttgardt, d. 4. Junij. [Dienstag] 82.

Ich habe das Vergnügen das ich zu Mannheim in vollen Zügen genoß seit meiner Hieherkunft durch die epidemische Krankheit gebüßt, welche mich zu meinem unaussprechlichen Verdruß biß heute gänzlich unfähig gemacht hat Euer Exzellenz für so viele Achtung und Höflichkeit meine wärmste Danksagung zu bezeugen. Und doch bereue ich benahe die glüklichste Reise meines Lebens, die mich, durch einen höchst widrigen Kontrast meines Vaterlandes mit Mannheim, schon so weit verleitet hat, daß mir Stuttgardt und alle schwäbische Scenen unerträglich und ekelhaft werden. Unglüklicher kann bald niemand seyn, als ich. Ich habe Gefühl genug für meine traurige Situation, vielleicht auch Selbstgefühl genug für das Verdienst eines bessern Schicksals, und für beides nur – eine Aussicht.

Darf ich mich Ihnen in die Arme werffen, vortreflicher Mann? Ich weiß wie schnell sich Ihr edelmütiges Herz entzündet, wenn Mitleid und Menschenliebe es auffordern, ich weiß wie stark Ihr Muth ist eine schöne That zu unternehmen, und wie warm Ihr Eifer, sie zu vollenden. Meine neuen Freunde in Mannheim, von denen Sie angebetet werden, haben es mir mit Enthousiasmus vorhergesagt, aber es war dieser Versicherung nicht nöthig; ich habe selbst da ich das Glük hatte, eine Ihrer Stunden für mich zu nuzen, in Ihrem offenen Anblik weit mehr gelesen. Dieses macht mich nun auch so dreust, mich Ihnen ganz zu geben, meine ganzes Schiksal in Ihre Hände zu liefern und von Ihnen das Glük meines Lebens zu erwarten. Noch bin ich wenig oder nichts. In diesem Norden des Geschmaks werde ich ewig niemals gedeyhen, wenn mich sonst glüklichere Sterne und ein griechisches Klima zum wahren Dichter erwärmen würden.

Brauch ich mehr zu sagen als dieses, um von Dalberg alle Unterstüzung zu erwarten?

E. Exc. Haben mir alle Hoffnung dazu gemacht, und ich werde den Händedruk der Ihren Verspruch versiegelte, ewig fühlen; Sie schienen weniger Schwierigkeit in der Art mich zu employren, als in dem Mittel mich von hier weg zu bekommen zu finden. Jenes steht ohnehin ganz bei Ihnen allein – zu diesem können Ihnen vielleicht folgende Ideen dienen.

1. Da im ganzen genommen das Fach der Mediciner bei uns so sehr übersezt ist, daß man froh ist, wenn durch Erledigung einer Stelle Plaz für einen andern gemacht wird, so kommt es mehr darauf an, wie man dem Herzog, der sich nicht trozen lassen will, mit guter Art den Schein gibt, als geschähe es durch seine willkührliche Gewalt, als wäre es sein eigenes Werk, und gereiche ihm zur Ehre. Daher würden Euer Exzellenz ihn von der Seite ungemein kizeln, wenn Sie in den Brief den Sie ihm wegen mir schreiben, einfließen ließen, daß – Sie mich für mich Geburt von ihm, für einen durch ihn Gebildeten und in seiner Academie Erzogenen halten, und daß also durch diese Vocation seiner Erziehungsanstalt quasi das Hauptcompliment gemacht würde, als würden ihre Produkte von entschiedenen Kennern geschäzt und gesucht. Dieses ist der Passe par tout beim Herzog.

2. Wünschte ich (und auch meinetwegen) sehr, daß Sie meinen Aufenthalt beim Nationaltheater zu Mannheim auf einen gewissen beliebigen Termin festsezten, (der dann nach Ihrem Befehl verlängert werden kann,) nach dessen Verfluß ich wieder meinem Herzog gehörte. So sieht es mehr einer Reise als einer völligen Entschwäbung (wenn ich das Wort brauchen darf) gleich, und fällt auch so hart nicht auf. Wenn ich nur einmal hinweg bin, man wird froh seyn, wenn ich selbst nicht mehr anmahne.

3. Würde es höchst nothwendig seyn zu berühren, daß mir Mittel gemacht werden sollten zu Mannheim zu practicieren und meine medicinischen Uebungen da fortzusezen. Dieser Artikel ist vorzüglich nöthig, damit man mich nicht, unter dem Vorwand für mein Wohl zu sorgen cujoniere, und weniger fortlasse.

Wenn Euer Exzellenz diese 3 Ideen goutieren und in einem Schreiben an den Herzog Gebrauch davon machen so stehe ich ziemlich für den Erfolg.

Und nun wiederhohle ich mit brennendem Herzen die Bitte die Seele dieses ganzen Briefs. Könnte E. E. in das Innere meines Gemüths sehen, welche Empfindungen es durchwühlen, könnte ich Ihnen mit Farben schildern, wie sehr mein Geist unter dem Verdrüßlichen meiner Lage sich sträubt – Sie würden – ja ich weiß gewiß – Sie würden eine Hülfe nicht verzögern die durch einen oder zwei Briefe an den Herzog geschehen kann,

Nochmals werfe ich mich in Ihre Arme, und wünsche nichts anders, als bald, sehr bald, Ihnen mit einem anhaltenden Eifer und mit einer persönlichen Dienstleistung die Verehrung bekräftigen zu können, mit welcher ich mich und alles was ich bin für Sie aufzuopfern wünsche.

      Euer Excellenz
            unterthäniger

Schiller.