Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an den Oberst von Seeger

Hochwohlgebohrener Herr,
Hochgebietender Herr Obrist,

[Mannheim d. 24. Sept. Dienstag. 1782.]

Die Überzeugung, daß ich mit einem Manne rede, der Gefühl für mein Unglük und Weißheit genug für meine Lage hat, einem Mann, der in Verbindungen eines Vaters gegen mich steht, läßt mir jezt die Dreustigkeit zu, Hochdenenselben mein Herz aufzudeken, und wenn mich alle Ressourcen in der Welt verlassen, meine Zuflucht zur Großmut und Edeln Denkungsart meines ehemaligen Freundes zu nehmen. Seine Herzogliche Durchlaucht haben mir vor 4 Wochen das Herausgeben litterarischer Schriften verboten. Da ich mir schmeichelte durch eben dergleichen Schriften den Plan der Erziehung der in der Karlsacademie zu Grunde ligt auf eine auffallende Art gerechtfertigt, und geehrt zu haben; da es überdiß die Gerechtigkeit gegen mein eignes Talent erfoderte, es zu meinem Ruhm und Glük anzubauen, da die wenige Schriften, die ich biß jezt der Welt mitgetheilt habe, meine jährliche Gage um fünfhundert Gulden jährlich vermehrt haben, so war es mir ganz unmöglich, ein Verbot, das all diese Vortheile und Aussichten zu Grunde richtet, ganz mit Stillschweigender Gleichgültigkeit anzunehmen. Ich habe es gewagt Seine Herzogl. Durchlaucht unterthänigst um die gnädigste Erlaubniß anzusuchen, Höchstdenenselben meine Lage in einem Schreiben vor Augen zu stellen. Diese Bitte wurde mir abgeschlagen und meinem General der Befehl gegeben mich, so bald ich mich wieder um die Erlaubniß eines Briefs melden würde in Arrest nehmen zu lassen. Da ich aber nun schlechterdings gezwungen bin, dieses Verbot entweder aufgehoben oder gemildert zu sehen, so bin ich hieher geflohen um meinem gnädigsten Landesherrn meine Noth, ohne Gefahr, vortragen zu können. Von Eurer Hochwohlgebohren aufgeklärtem Geist, und edelm Herzen hoffe ich großmütigste Unterstüzung in meiner höchst bedrängten Situation, denn ich bin der unglüklichste Flüchtling, wenn mich Serrenissimus nicht zurückkommen lassen. Ich kenne die fremde Welt nicht, bin losgerissen von Freunden, Familie und Vaterland, und meine wenigen Talente wägen zu wenig in der Schaale der grosen Welt, als daß ich mich auf sie verlassen könnte. Darf ich meine Zuflucht zu Ihnen nehmen verehrungswürdigster Herr. Darf ich Sie, der Sie schon so vielen Antheil an meinem Glük und meiner Bildung hatten, auch izt noch auffordern Ihre Hand nicht von einem hilflosen zu wenden, der in einem unbekannten Land alles Schuzes beraubt, Glük und Unglück von den Diensten seiner Freunde erwartet.

Ich schließe mit dieser frohen Hofnung, und habe die Gnade Euer Hochwohlgebohren in tiefstem Respekt zu versichern, daß ich nicht aufhören werde mich zu nennen

      Hochwohlgebohrner Herr,
            Hochgebietender Herr Obrist
                  Hochderoselben unterthänig ergebenster
                        Frid. Schiller
                              Regimentsmedicus.