Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Dr. von Jakobi

 

d. d. F. d. 6. Novbr. [Mittwoch] 1782.

Theurer Freund,

Dass Deine überflüssige Zweifel in meine Gesinnungen glüklich gehoben sind, ist mir ein wahrer Gefallen. Wenn jeder, an dem mir das gelegen ist, was an Dir, ein Gleiches thut, so bin ich zufrieden, die andren mögen sie behalten. Ich dächte, Du hättest mich nicht aus meinen Briefen, sondern aus meinen Bewegungen beurtheilen sollen, die gerade das Widerspiel von den ersteren machten.

Jene hatten den sehr wichtigen Zwek meine Familie zu sichern, und meinen gewaltsamen Schritt in den möglichst-rechtmässigen hinüber zu drehen. Dieses Ziel scheine ich wirklich erreicht zu haben, und hiermit bleibt auch die ganze Maschinerie auf sich beruhen. Wenn ich die Einwilligung des Herzogs in meine Foderungen ohne alle Zweideutigkeit erhalten hätte, so hätte ich natürlich nicht nur zurükgehen müssen, sondern auch mit Ehre und Vortheil können, und mein ganzer Plan hätte ein neues Ansehen gewonnen.

Deine Vorwürfe über mein Mistrauen in Freunde sind nicht ganz gerecht. Eine verdrüssliche Erfahrung hat mich wahre Theilnehmung von derjenigen, woran mehr Neugierde und Maul Theil haben, unterschieden gelehrt. Ueberdies ist es kein grosses Wagstük sich für jemand zu interessiren, der dieses Interesse niemals auf die Probe zu stellen gesonnen ist.

Mein Schiksal sollst Du erfahren, so bald es einen wichtigen Schritt gethan hat. Gegenwärtig bin ich auf dem Weeg nach Berlin. Gelegenheitlich bitte ich dich in diese Nachricht weniger Mistrauen, als in die vorige zu sezen. Ich gestehe Dir Jene war Politik, weil ich weniger sicher war meinen Aufenthalt anzugeben, als vielleicht izt. Die wirkliche Nachricht ist ächt.

Jedermann, der nur das geringste von meinem Schiksal und Plan erfuhr, vereinigte sich in den Rath nach Berlin zu gehen, wohin ich nicht nur vortreffliche Addressen habe, sondern auch mehrere bekommen werde, weil ich über Erfurt, Gotha, Weimar und Leipzig reise, an welchen Orten ich theils schon durch Schriften empfohlen bin, theils auch durch neue Empfehlungen sehr viele Freunde antreffen werde, die mir wiederum Berliner Bekanntschaften machen werden. Vielleicht, dass ich in Berlin meinen Plan verändere, und durch Unterstüzung wichtiger Personen nach Petersburg gehe. Das versteht sich ohnehin, dass ich nur als Medicus Dienst nehme, und weil ich gern hierin etwas vorstellen möchte, so kann es seyn, dass ich 1 oder 1½ Jahr privatisiere, mir vollends in diesem Fach Vestigkeit und ausbreitende Kenntnisse zu verschaffen. Schwan, der in der genauesten Verbindung mit Nicolai steht, versichert mich, dass er mich durch ein Empfehlungsschreiben bei diesem nicht nur gleich zur allgemeinen Bibliothek bringen, sondern auch in verschiedenen andern Entreprisen von Bedeutung und Revenue einführen werde. – Mannheim ist schlechterdings keine Sphäre für mich, zu klein mich als Mediciner zu begünstigen, zu unfruchtbar mich als Schriftsteller aufkommen zu lassen. Beim Theater Dienste zu nehmen ist nicht nur unter meinem Plan, sondern auch wirklich schweer, weil es sehr erschöpft ist, verarmt und sinkt.

Noch habe ich die Wollust, ganz frei zu seyn, in dem Grade nicht empfunden, als ich sie empfinden könnte, wenn mein Schiksal entschieden wäre.

Gegenwärtig war ich nur Flüchtling. Innerhalb 3-4 Wochen hoffe ich freier Weltbürger zu seyn. Lass mich bald hören, was sich für dich entwickelt hat, und schreibe mir auch Neuigkeit in Betreff meiner Bekannten. Meine Stelle wird vermuthlich von Niemand, oder einem Academisten besezt werden. Ich gratuliere ihm schon im Voraus dazu.

Dem guten Abel habe ich schon etlichemal schreiben wollen, aber soll ich einerlei Sache 6mal erzählen? Das ist verdrüsslich, und ihn von wichtigeren Sachen unterhalten zu können hat mir bisher Zeit und Ruhe gefehlt. Er darf aber darauf zählen, dass, sobald ich fester sitze, diese Nachlässigkeit herein gebracht werden soll. Empfiehl mich ihm auf das wärmste.

Bisher habe ich kein einziges Bedürfniss, weniger als zu Hauss befriedigen können. Es ging mir recht gut, und ich kann sagen, ich bin auch gut ökonomisch gereist. In Frankfurth am Main wo ich 14 Tage war habe ich nicht 12 fl. gebraucht, ich bin von Mannheim zu Fuß über Darmstadt dahin gegangen, und überhaupt hab ich das Gehen für meine Gesundheit ungemein zuträglich befunden. Ich war auch zu Mainz, wohin ich auf dem Mayn fuhr, und zu Worms, wohin ich von Mainz 9 Stunden in 8 machte. Connaissancen hab ich vermieden, weil ich bisher meinen Namen verbarg, aber dadurch hab ich oft das Lustspiel erlebt, dass ich meiner Gegenwart von Mir die Rede war. Erst neulich zu Mainz wurde in einem Zimmer, das an das meinige stiess vom Verfasser der Räuber gesprochen, und zwar von Frauenzimmern, die brennend wünschten mich einmal nur zu sehen, und mit denen ich den Kaffee trank. Zu Frankfurt bin ich in 6 Buchhandlungen gewesen und habe meine Räuber gefodert, aber überall die Antwort bekommen, es sey kein Bogen mehr zu bekommen, man habe es schon etlichemal nachgefodert. Notabene auch in Frankfurt war ich incognito, sonst hätte ich dir von daher mehr zu schreiben.

Jezt lebe recht wol, und sey so gut, eingeschlossenen Brief zu besorgen. Weil ich dir keine Addresse schiken kann, da meine Reise meinen Aufenthalt immer verändert, so schik nur die Briefe an Hr. Cranz oder [Gern], wo ich sie bälder als von Stuttgardt bekomme. Ohne Veränderung

dein zärtlicher

Frd. Schiller.