Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Andreas Streicher

Bauerbach, den 8. Dezember [Sonntag] 1782.

Liebster Freund!

Endlich bin ich hier, glüklich und vergnügt, daß ich einmal am Ufer bin. Ich traf alles noch über meine Wünsche; keine Bedürfnisse ängstigen mich mehr, kein Querstrich von außen soll meine dichterischen Träume, meine idealischen Täuschungen stören.

Das Haus meiner Wolzogen ist ein recht hübsches und artiges Gebäude, wo ich die Stadt gar nicht vermisse. Ich habe alle Bequemlichkeit, Kost, Bedienung, Wäsche, Feuerung, und alle diese Sachen werden von den Leuten des Dorfes auf das Vollkommenste und Willigste besorgt. Ich kam Abends hieher – Sie müssen wissen, daß es von Frankfurt aus 45 Stunden hieher war – zeigte meine Briefe auf, und wurde feierlich in die Wohnung der Herrschaft abgeholt, wo man alles aufgepuzt, eingeheizt, und schon Betten hergeschafft hatte. Gegenwärtig kann und will ich keine Bekanntschaften machen, weil ich entsezlich viel zu arbeiten habe. Die Ostermesse mag sich Angst darauf seyn lassen.

Schreiben Sie mir doch, wo Sie gesonnen sind zu bleiben. Halten Sie sich, wenn Sie zu Mannheim bleiben, nur immer fleißig an Schwan, Meier und meine Freunde. Besser Sie bleiben aber nicht dort, und verfolgen ihren ersten Anschlag, der mir immer der vernünftigste schien.

Was Sie thun, lieber Freund, behalten Sie diese praktische Wahrheit vor Augen, die Ihren unerfahrnen Freund nur zu viel gekostet hat: Wenn man die Menschen braucht, so muß man ein H…..t werden, oder sich ihnen unentbehrlich machen. Eines von beiden, oder man sinkt unter.

Wenn Sie Ursache hätten nicht nach Wien zu gehen, so könnte ich Ihnen allenfalls einen andern Ausweg anrathen, der mir von mehreren Seiten besehen, nicht gar verwerflich scheint. Sie sind jung, weit genug in Ihrer Kunst, um brauchbar zu seyn, halten Sie sich an einen Meister in einer großen Stadt, von dem Sie wissen, daß er viele Geschäfte hat, lassen Sie sich auch zu dem handwerksmäßigen ihrer Kunst herab, machen Sie sich ihm nüzlich, so finden Sie erstlich Gelegenheit den Mann zu studiren, finden Brod, und wenn Sie weggehen Empfehlung. Der große Titian war Raphaels Farbenreiber. Weit gefehlt, daß ihm das schimpflich wäre, macht es seinem Namen nur desto größere Ehre.

Empfehlen Sie mich bei Schwan, Meier, Cranz, Gern, Derain, dem Stein’schen Hause, auch auf dem Viehhof. Schreiben Sie mir, was sich von dem Officier, der mich aufsuchte, bestätigt hat.

Noch etwas: bei dem neulichen schnellen Aufbruche von Oggersheim haben wir beide vergessen, die Zeche im Viehhof zu bezahlen. Ich will nicht haben, daß Sie in Schaden dabei kommen. Sie werden also, weil das Geld zu wenig beträgt, um 65 Stunden geschikt zu werden, eine Anweisung dafür und für andere ausgelegte Kleinigkeiten an Schwan bekommen, der mir, weil Fiesco gewiß mehr als 10 Bogen stark wird, noch Geld herauszahlen wird.

Jezt muß ich eilen, das ist bereits der 5te Brief, und wenigstens noch so viel hab ich zu schreiben.

Leben Sie recht wohl, lieber Freund, vergessen Sie mich nicht, und seyn Sie vollkommen versichert, daß ich thätig an Sie denken werde, sobald sich meine Aussichten verschönern, welches, wie ich hoffe, nicht lange mehr anstehen soll. Noch einmal leben Sie recht wohl. Wenn Sie mir schreiben, legen Sie den Brief bei Schwan oder Meier nieder.

Ohne Veränderung ihr aufrichtigster

Schiller.