Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Henriette von Wolzogen

Bauerbach d. 4. Jenn. [Sonnabend] 83.

Beste, theuerste Freundin,

Ich bin ungewis, ob ich diesen Brief bälder werde fortbringen können, als ich selbst zu Ihnen gekommen. Doch warum soll ich es nicht darauf wagen? Ich habe doch wenigstens den Gewinnst, desto lebhafter an Sie zu denken, wenn ich Ihnen schreibe.

Ich kam ganz wohlbehalten von Masfeld hier an. Aber meine Prophezeihung wurde wahr. Seit Ihrer Abwesenheit bin ich mir selbst gestolen. Es geht uns mit grosen lebhaften Entzükkungen, wie demjenigen der lange in die Sonne gesehen. Sie steht noch vor ihm, wenn er das Auge längst davon weggewandt. Es ist für jede geringere Stralen verblindet. Aber ich werde mich wol hüten diese angenehme Täuschung auszulöschen.

Auf die Bekanntschaft Ihres Freundes1 freue ich mich wie auf einen zu machenden Fund. Sie glauben nicht, wie nöthig es ist, daß ich edle Menschen finde. Diese müssen mich mit dem ganzen Geschlechte wieder versönen, mit welchem ich mich beinahe abgeworfen hätte. Es ist ein Unglük meine Beste, daß gutherzige Menschen so gern in das Entgegengesezte Ende geworfen werden, den Menschenhaß, wenn einige unwürdige Karaktere ihre warmen Urtheile betrügen. Gerade so ging es mir. Ich hatte die halbe Welt mit der glühendsten Empfindung umfaßt, und am Ende fand ich daß ich einen kalten Eisklumpen in den Armen hatte.

Ich geh also nicht über Meinungen, sondern gerade von Bauerbach nach Walldorf. Dem Wetter wird schlechterdings nicht nachgefragt. Es ist schon schlimm genug, daß die Geisterwelt so viele Plane zernichtet, die Körperwelt soll mir keine Freude meines Lebens verderben.

Den Brief an die H. v. Gotha bringe ich mit. Eben so mein Versprechen das ich der Henriette gethan.

Empfehlen Sie mich Ihrem vortrefflichen Herrn Bruder, und versichern Sie Ihn meiner vollkommensten Achtung. Ihrer liebenswürdige Lotte machen Sie mein herzlichstes Kompliment, und Hrn. Pst. Sauerteig – den ich nicht anstehe, meinen Freund zu nennen, denn da wir uns beide in der Liebe gegen Sie begegnen, so müssen wir nothwendig gleich bezogen seyn.

Leben Sie solang glüklich und vergnügt meine Theuerste, und vergessen Sie nicht daß drei Stunden von Ihnen jeden Augenblik an Sie gedacht wird von Ihrem zärtlichsten Freunde

F. Schiller.