Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Henriette von Wolzogen

am 23 des Aprils [Mittwoch] 1783.

Einen Schreken hätte ich Ihnen also gemacht meine Freundin? – Dafür haben auch Sie mich in Ihrem lezten Briefe gedemütigt, und mehr als ich verdiene.

Sie räumen beinahe alle meine Besorgniße wegen der Ankunft Herrn v. Ws. Weg, und sezen es dennoch auf Schrauben ob ich wol bleiben werde? Sie scheinen es möglich zu finden, daß ich überhaupt mein Glük, auf Unkosten meines ehrlichen Namens und guten Gewißens, meinen tausend Verpflichtungen und Pflichten gegen Sie zum Troz, hätte aufsuchen wollen, und möchten auf das bäldiste von mir wißen, was ich entschlossen sei und was zu meinem Glüke diene? Sie sagen mir also, nur mit andern Worten, daß sie mich fähig halten, die treuloseste und undankbarste That auf der Welt zu thun. Ich will Ihnen das nicht zum Vorwurf gesagt haben meine Beste. Weis ich doch fest und gewis, daß sie mich lieben wie keine Mutter mehr lieben kann. Aber glauben Sie mir doch endlich einmal, daß Sie keinen unwürdigen Sohn haben!

Also zuverläßig im Monat May, meine Liebe. Ich zäle darauf. Ihre Gegenwart ist niemand wichtiger als mir. Aber auch überhaubt ist sie nothwendig, wie Sie jetzt hören werden.

Ihr ganzes Bauerbach ist gegenwärtig in Unruhe, welche nur durch Ihre Persönliche Autorität gestillt werden kann. Der ewige Groll der Gemeinde gegen den Verwalter1 ausert sich täglich mehr.

Neulich entstunde in Streit zwischen beiden Partheien wegen der Schaafe. Vogt und Konsorten verboten, das Vieh auf die Wiesen zu treiben. Der Wirth, Schnupp Ziegenbein und Straub (dessen Frau vor einigen Tagen starb) praetendierten das Gegentheil. Die Gerichte sprachen 2mal für den Verwalter, und demungeachtet treiben die leztern die Schaafe auf die Wiesen, Ihre eigene nicht geschont. Ich kam zu einer Szene, die so verdrüßlich sie mir im Grunde war, den besten Maler verdient hätte. Vogt und Familie kommen mit Knitteln, die Schaafe wegzutreiben, die andern wehren sich, man sagt sich Grobheiten, Wahrheiten und dgl. Des Wirths sohn hezt den Hund an den Schulmeister, welcher in Gefahr Schläge zu kriegen, die Glocke ziehen ließ, und das ganze Dorf aufforderte. Nun ist ihm durch den Gerichtshalter alle gewaltthätige Execution des Verbots untersagt und auf morgen ein Termin ausgesezt. Meine Meinung ist (ich habe beide Partheien gehört) Sie soutenieren Ihren Schulzen, der doch immer Ihre Person vorstellen mus, gegen das respektwidrige Betragen der Nachbar. Das müssen Sie thun wenn Sie nur einen Befehl exequiert sehen wollen, und die Ruhe erhalten werden soll. Die Gemeinde aber müssen Sie auch gegen Diesen in Sicherheit sezen. Rein ist er nicht, wie Sie sehr wol wißen, aber die Grobheit und Gewaltthätigkeit der andern ist auch unverantwortlich, und wie ich hörte soll ein Confirmant, den Tag vor der Einseegnung, dem Verwalter zum Spott, hinter die Orgel hofiert haben in Mitte des Gottesdienstes. Geben Sie diesem positive Gewalt, aber behalten Sie Sich vor sein Verhalten zu untersuchen. Mehr, wenn Sie Selbst kommen. Ich habe über diesen Punkt noch einige Gedanken.

Rheinewald und ich danken Ihnen beide für die Wolthat die Sie uns erwiesen, uns miteinander bekannt zu machen. Er ist mir äuserst werth. Und ich glaube ich bin es auch ihm. Ihre Pfarrer zu Bibra Vater und Sohn2, kenne ich ser gut, und beide lieben mich wie ich sie von Herzen. Den Jungen helfe ich Ihnen gewis zum Vortheil bilden, sowie er mich in vielen, Ihnen auch sehr wichtigen Stüken, befestigen soll. Kurz zu meiner Zufriedenheit in B. felt mir nichts als Sie meine Beste.

Sie schreiben mir nicht ob Ihr Wilhelm aus der herzoglichen Karlsacademie gekommen und wo er gegenwärtig ist. Empfehlen Sie mich Ihm sehr, wie auch Fräulein Lotten, die mir doch schreiben möchte ob sie bald Schach gelernt hat? – Die Meinigen grüßen und küßen Sie tausendmal: sie werden nun wol meinen Brief3 haben. Mein Fiesko ist gedrukt, und wird wol bald in S. zu verkaufen sein, wenn die Ostermesse vorbei ist. Das ist mein zweitlezter Brief an Sie im Jahre 1783.

Ewig Ihr

Ritter.

p. p. Ich war unpäßlich, aber nicht krank. Ich ließ mir eine Ader schlagen.