Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wilhelm Reinwald

Bauerbach d. 9. Juny [Montag] 83.

Ich reiße mich aus einer sehr angenehmen Zerstreuung, um mich für Sie, liebster Freund, zu sammeln. Sie sind, wie ich höre, auf einige Tage nach Römhild gereißt, wo Sie vielleicht noch sind. Wollte der Himmel daß Ihr Weeg Sie über Bauerbach geführt hätte, so hätte ich Sie doch wenigstens auf eine Viertelstunde genoßen. Tausend Ideen schlafen in mir, und warten auf die Magnetnadel, sie sie zieht. – Unsre Seelen scheinen, wie die Körper, nur durch Friction Funken zu geben. Wie sehr wünschte ich mein Herz an dem Ihrigen wieder zu erwärmen!

Sie reisen nun bald ab, und werden über so vielen vortreflichen Köpfen Ihren armen Bauerbachischen Freund vergeßen. Sie werden mich mit Wieland, Göthe und andern meßen, und einen ungeheueren Abstand gewahr werden. Sie werden wieder kommen voll der gesammelten Ideale, geblendet von so viel schimmernden Genies und den matten Flimmer eines Johanniswurms nicht mehr bemerken. Sie werden kälter gegen mich seyn. – Sehen Sie! So könnte ich mich mit Besorgnißenquälen, wenn ich es Ihnen nicht zutraute, daß ein warmes und redliches Herz weniger glänzende Gaben bei Ihnen entschuldigen werde. Wenigstens bin ich ein guter Mensch – und Ihr Freund. Grose Geister finden Sie immer – aber nicht immer Diesen. Was hilft Ihnen auch der Mann, deßen Genie eine Welt umspannt, deßen Herz aber für Ihre Freuden und Leiden zu eng – deßen Auge für Ihre Schiksale troken ist? – Unterwerfen Sie besonders Wielanden dieser Probe. Den Dichter kennen wir schon. Studieren Sie den Menschen in ihm.

Am 11. Mai [falsch für Juni Mittwoch].

Gestern hatten wir einen lustigen Tag. Die Bauern des Dorfs haben in unserm Hofe getanzt, und ich sahe fröliche Menschen. Bauerbach ist gewiß keine Barbarei. Ich habe schon manche Feinheit an den Leuten entdekt, die mir um so schäzbarer war je weniger ich sie der rohen Natur zugetraut hätte. Vielleicht sind diese Menschen von den übrigens sich beßer Dünkenden nur wie die Gipsfigur von dem Gemälde unterschieden.

Fräulein Mine1 und Lotte sind hier und machen mir mein Leben sehr angenehm. Die leztere ist ein wahres Studium für mich; denn so viel Güte und schöne Unschuld hab ich selten gefunden. Wir hatten H. v. Wurmb erwartet, er ist aber krank und hat Ihnen dem Hofprediger und mir inliegendes Avertissement von Gökingk geschikt.

Laßen Sie Sichs angelegen seyn Abonnenten zu finden; Es sind einige Artikel darin, die ich 2 mal gelesen habe, und von denen ich einmal Gebrauch machen könnte

Am 14. Juny [Sonnabend].

Meine Louise Millerin mus ich Ihnen im Original mitgeben, denn schwerlich wird soviel Zeit übrig seyn, daß man sie abschreiben laßen kann. Mehr als 2 oder 3 Akte bekommen Sie schwerlich mit. Aber ich will Ihnen die übrigen nach Gotha nachschiken, wenn ich erst einen Brief von Ihnen werde bekomen haben, ob die erstern Appetit gemacht haben. Gott dem Allmächtigen will ich danken, wenn ich fertig bin. Ganze 14 Tage ist kaum was daran gethan worden, weil ich immer schwankte, und meine streitenden Gedanken nicht zu vereinigen wußte. Sondieren Sie doch Wielanden wegen dem bestmöglichsten Verkauf von dergleichen Schriften. Sehr gerne möcht ich sie bald druken laßen, denn ich brauche Geld, und wünschte zugleich meinen Namen dadurch etwas mehr auszubreiten. – Noch was mein Lieber. Sammeln Sie doch recht sehr viele Nachrichten über meinen Fiesko ein, und gedrukte Urtheile schiken Sie mir. vielleicht ist schon jezt in Gotha- oder Erfurtischen Zeitungen was davon eingerükt. Fragen Sie auch nach meinen Räubern und der Anthologie. Daß ich an einem Karlos arbeite können und dörfen Sie sagen. Wollte Gott Sie verschaften mir einen tüchtigen Mitarbeiter zu einem Theaterjournal.

Am 15ten Juny [Sonntag].

Gestern habe ich Herrn von Bibra2 (ich meine den Oberhofmeister) kennen gelernt. Er gefällt mir nicht übel. Er hat sehr verbindlich meine Freundschaft gesucht und mich ernstlich zu sich gebeten, wo er mir auch Göthes Trauerspiel3 lesen wird. Mit diesem scheint er sehr genau bekannt zu seyn. Wielanden kennt er auch, und sagte mir einige Züge von ihm, die ihn freilich, wenn sie wahr sind, verkleinern – Er soll sogar Egoist seyn. Zu Weimar treffen Sie auch Hr. Musäus, den Verfaßer der physiognomischen Reisen. Ich bin begierig wie Sie diesen finden. Wären Sie nur schon wieder da. Ich kann es nicht erwarten, Sie glüklich und mit angenehmen Neuigkeiten in unserm Horizonte zu wißen.

d. 16. Juny [Montags].

Heute Abend denk ich bekommen Sie diesen Brief. Wenn mein Schiksal es nicht will daß ich Sie vor Ihrer Abreise noch sehen soll, so soll dieser übrige Raum den Segen enthalten den ich Ihnen auf die Reise mitgebe. Mit Commissionen sind Sie, denk ich, überhauft genug. Also Leben Sie wol mein Bester. Pallas – Eskulap und Fortuna mögen Sie begleiten, und Sie gesund, und mit glüklichen Außichten in meine Arme zurükbringen. Denken Sie zuweilen an Ihren aufrichtigen und zärtlichen S**, und glauben Sie es von ganzem Herzen und von ganzer Seele, daß, wo Sie auch seyn werden, nicht ein Jota von der Liebe und Treue sich verlieren soll, die ewig schlagen wird in

Ihrem

Ritter.

pp. Eben fällt mir bei. Sie haben mir ein Verzeichniß der Bücher abgefodert die ich von Fleischmann und aus der Bibliothek besize. Ich weis nicht, ob ich es Ihnen geschikt habe. Ist das nicht, so schrieben Sie mirs gleich.

Können Sie nicht, mein Lieber, einige Bücher zu meiner Lectüre zurüklaßen, weil ich sonst in Ihrer Abwesenheit darben und verderben mus! – Erweisen Sie mir doch diese Gefälligkeit, wenn Sie können, und auf der Post bestellen Sie daß die Briefe an mich zur Fräulein Lotte geschikt werden.