Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Heribert von Dalberg

Von Hauß den 19ten Lenzmonat. [Sonnabend] 85.

Man erzält mir, daß die Erscheinung der rheinischen Thalia unter einigen Mitgliedern des hiesigen Theaters Bewegungen hervorgebracht habe, die mir auf einem kurfürstlichen Theater fast unerwartet sind. Wenn ich bei Beurtheilung des Herrn Rennschübs, und in etlichen Rollen auch seiner Frau, meinem beßern Gefühl, und der vereinigten Stimme des beßern Publikums hätte folgen wollen, so wären Mord und Todschlag zu befürchten gewesen. Aber einer Frau ohne Erziehung vergebe ich jede Aufwallung der Eitelkeit sehr gerne, wenn sie auch nur in die Wochenstube gehörte. Wie sehr bewundere ich bei dieser Gelegenheit Ew. Excell., daß Sie 5 Jahre fähig waren, einer so reizbaren Menschenklasse vorzustehen, ohne die Liebe eines einzigen Individuums zu verlieren.

Was ich aber kaum verschluken kann, und was ich fest entschloßen bin, zu rügen, ist das Betragen des H. Boeks. Herrn Boek habe ich mit einer Achtung beurtheilt, die er nicht verdient, und dieser Mann erröthet dennoch nicht, auf öffentlicher Bühne mit Gebrüll und Schimpfwörtern und Händen und Füßen gegen mich auszuschlagen, und auf die pöbelhafteste Art von mir zu reden. Alles diß habe ich haarklein erfahren. Nun beurtheilen E. Exzellenz mein Urtheil über ihn im Repertorium und sein Betragen. Ich merke indessen die Ursache seiner Erbitterung. H. Boek hat Vergötterung erwartet, und keine gefunden. Auch ist er durch meine Achtung für Beil, Bek und Ifland beleidigt, und es verdrüßt ihn, daß ich ihn im Repertorium nicht auf den Tron gesezt habe. Wie tief steht er unter seinen drei Rivalen! Aber er verdient, wenn einmal ausführlicher an hiesiger Bühne gesprochen wird, daß man ihn zu einer heilsamen Bescheidenheit zurükführe und die Komödianten-salbe von ihm abwische.

Wenn E. Exzellenz heute Nachmittag eine halbe Stunde für mich übrig haben, so haben Sie die Gnade, mir solche zu bestimmen.

Schiller.

[Adresse:]
      Sr. Exzellenz
        dem Herrn
  Baron von Dalberg.