Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Friedrich Kunze

Dresden d. 13. Septbr. [Dienstag] 85.

Ich habe Leipzig verlassen müssen ohne Abschied von Ihnen nehmen zu dürfen, ohne mir noch einmal das Versprechen von Ihnen wiederhohlen zu lassen, daß Ihre Freundschaft mir bleiben wird. Wenn das heilige Gelübde der meinigen einigen Werth für Sie haben kann, so empfangen Sie es jezt aus reinem und offenen Herzen. Sie haben mich um einen Edlen Menschen reicher gemacht – und ich schäze diese Eroberung höher als alle Geschenke, die das Glük zu vergeben hat. Unsere Seelen haben sich berührt, lassen Sie das eine Verwandschaft unter uns stiften, die der alles verheerenden Zeit mutig Troz bieten kann. Unvergeßlich sind mir die wenigen Stunden, die ich in Ihrem nähern Umgang durchlebte, diese Erinnerung wird ein heller Punkt in meinem Leben seyn. Könnte ich hoffen bester Freund, daß auch von meiner Seite etwas zur Vermehrung Ihrer Freuden geschehen wäre und noch geschehen könnte, dann glaube ich würde ich noch einmal so stolz auf mein Herz seyn. Leben Sie wol und glüklich. Ich könnte diesem Brief noch einen historischen Theil anhängen, aber das übrige können Sie ja von Hubern erfahren und die Bestätigung unsrer Freundschaft, dächte ich, wäre für einen Brief schon Inhalt genug. Erlauben Sie, daß ich in meinen trüben und glüklichen Stunden zuweilen an die Theilnahme appellire, die Sie mir so liebevoll zusagten, und bisher bewiesen haben, und halten Sie die Viertelstunde nicht für verloren, die Sie meinem Andenken und einem Brief an mich widmen.

Körner mit seiner Frau und Schwägerin befrachten meinen Brief mit tausend Grüßen an Sie, Ihre liebe gute Frau, mit welcher Sie meine Freundschaft brüderlich theilen werden. Die gute Karoline und unsere Christine Kunze küssen Sei von meinetwegen herzlich. Empfehlen Sie mich unserm lieben D. Hartwig und versichern Sie Ihn meiner immer währenden Freundschaft, aber sagen Sie ihm auch, daß er den Ohrenbläßereien der schwarzen Göttin nicht alles glauben soll. Wir Mediciner sind darinn übler daran als andre, weil unsre Furcht vor Krankheit mikroskopische Augen hat, weil wir tausend Wege mehr entdeken, die die Krankheit zu unserm Leben ausfündig macht; Aber eben diese Bekanntschaft mit dieser Materie liefert noch ungleich mehr Gründe zu unsrer Beruhigung, worauf ich den guten Hartwich verweise.

Noch einmal liebster Freund leben Sie glüklich ewig geliebt von

Ihrem aufrichtigsten Freund

Frid. Schiller.