Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Dresden, 20. December [Mittwoch] 1786.

Biß jezt ist unsere Existenz höchst prosaisch gewesen, ich besonders wußte kaum, wo ich mit der Zeit hin sollte, die mir von Arbeiten frei blieb. Die Abende sind mir erstaunlich zur Last, denken mag ich nicht, auch schäme ich mich zu schlafen. Gestern waren wir im goldenen Engel zu Mittag, vorgestern Abend bei Albrechts, wo Whist gespielt wurde. Dißmal aber gewann ich. Bei Reinhardts war ich auch, um euer Compliment an die Tante zu bestellen, und soll auch von der ganzen werthen Familie – die Tante Milliquet1 nicht ausgenommen – schönstens grüßen. Meinen Herrn von Nostiz werde ich in den Feiertagen aufsuchen. Morgen gedenke ich zu Neumanns zu gehen.

Frage doch den Doktor um genaue Nachricht wegen der Minna2; daß die Härten in der Brust bleiben und der Schmerz sich verloren hat bringt mich fast auf die Gedanken, daß es langsam gehen möchte. Deinem Briefe nach seid Ihr noch nicht viel oder gar nicht in pleno ausgegangen.

Was Du mir von Göschen schreibst, will ich nur zur Hälfte glauben. Zwischen seinen Handlungen im bürgerlichen Leben und seinen Ideen dünkt mir überhaupt nicht viel Harmonie zu seyn, und von einem gewöhnlichen Beurtheiler, der Dir vielleicht dies Nachricht gab, muß er oft verfehlt oder doch zu hart beurtheilt werden. Der Übergang von dem Cliententon des Anfängers zum gesezten Männerton mußte für Göschen gefährlich ausfallen. In einer Stunde läßt sich diese neue Manier bei ihm über den Haufen werfen. Desto besser, wenn er kein Geld braucht. Meinen M.3 muß ich ihm offerieren aus Billigkeit, weil ich weiß, daß er gewinnen wird; ob er meine Bedingung accordiert, ist mir dann gleichgültig.

Wenn es wahr ist, daß die Recension eingeschikt worden, woran ich noch zweifle, so ist sie aus Mannheim. Solltest Du etwas vernünftiges von neuen Schriften in Leipzig ausfündig machen, das Du ohnehin kaufst, so schikke mirs voraus. Ich kanns jezt nicht über mich gewinnen, vielerlei aus der Geschichte zu lesen; noch bin ich nicht ganz in meinen poetischen Traum zurükgekommen, meine Arbeiten gehen mir noch nicht rasch genug. Seitdem Ihr weg seid, habe ich in allem 6 Blatt gemacht, unter denen 4 seit heute und gestern sind. Lies mir doch meine Bogen, und das 4te Heft sei so gut und schikke mit einem bloßen Couvert an Bek und an Charlotten. Die Exemplare nimmst Du von denen, die mir Goeschen schikken wird.

Habt Ihr Jünger schon gesprochen? Grüßt ihn recht sehr von mir. A propos! einen Stollen solltet Ihr uns billig schikken; zwar Huber liegt nicht so viel dran als mir. Mir ist ordentlich bange auf die Feiertage. Ich habe mich entschlossen, den Februar und März dort zuzubringen4, versteht sich, wenn die Umstände es thunlich machen; wenigstens wenn die Gründe und Gegengründe der Vernunft sich gegeneinander aufheben oder um ein geringes abweichen, so darf, glaube ich, mein Herz den Ausschlag geben. Adieu. Herzliche Grüße an alles.

[Adresse:]
      Herrn Oberkonsistorialrath
                    D. Körner
  abzugeben im Lykischen Hause
            auf der Klostergasse
  frei.                                        Leipzig.

mit einem Schlüssel nebst einem Coffre mit Musical.
D. K. sign.