Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Lotte v. Lengefeld

[27. November 1788] Donnerstag Abends.

Eben komme ich nach Haus und finde das liebe Rudolstädtsche Päckchen; auch, damit alles angenehme zusammenkommt, einen Brief von meinem Körner.

Wie freut es mich, daß Sie Sich an Ihrem Geburtstag mit unserer Freundschaft beschäftigt haben. Lassen Sie mich hoffen, daß auch die noch kommenden Ihnen den nehmlichen Gegenstand mit Vergnügen zurückbringen.

Ich wünsche Ihnen Glück zu Ihrer Kartenbekehrung. Wie Sie dieses, einmal nothwendige, Uebel ansehen und nehmen, haben Sie ganz vollkommen recht; doch gehen Sie glaube ich darin zu weit, wenn Sie dieses Mittel bloß zu solchen Gesellschaften verweisen, die keiner edlern, feinern und ernsthaftern Unterhaltung empfänglich sind. Auch in die besten Gesellschaften nisten sich zuweilen Augenblicke der Erschlaffung, oder einer schmerzhaften Ueberspannung ein, wovon das Spiel zuweisen befreyt. So leicht ich es entbehren kann, so ist mir doch zuweilen in drückenden Stimmungen Erleichterung dadurch gegeben worden, und da wäre es denn doch schlimm, wenn nur leere Menschen sich dieses Verdienst um einen erwerben könnten. Auch beim Spiel fühlt man es sehr angenehm, mit wem man spielt.

Der Ernst Ihres Wesens läßt Sie diese frivole Unterhaltung verachten, und das ist vortreflich. Eben dieser Ernst unterscheidet Sie aus hunderttausenden, und bewahre der Himmel, daß ich Sie anders wünschte. Wie nahe hat Sie diese Eigenschaft meinem Wesen gebracht (das ist freilich für Sie wenig, aber mir ist es eine Quelle von Vergnügen), aber hüten Sie sich, daß Ihnen dieser Zug zu ernsthaften Dingen die armen guten Menschlein nicht verleide, mit denen man einmal leben muß, und Sie in Ihren Lagen mehr als Meinesgleichen. Intoleranz gegen andre Menschen ist eine Klippe, an der besonders gerne die Menschen von Karakter und zartem Gefühle scheitern. Von dieser Seite also wünschte ich Ihnen lieber einige Tropfen leichtes Blut mehr, wie wohl ich Ihnen nicht zur Last legen kann, daß Sie gegen ihren Nebenmenschen finster sind.

Ueberhaupt kommt mir vor – und das mag freilich ein eigennütziger Wunsch unsers Geschlechts seyn – mir kommt vor, daß die Frauenzimmer geschaffen sind, die liebe heitre Sonne1 auf dieser Menschenwelt nachzuahmen, und ihr eigenes und unser Leben durch milde Sonnenblicke zu erheitern. Wir stürmen und regnen und schneyen und machen Wind, Ihr Geschlecht soll die Wolken zerstreuen, die wir auf Gottes Erde zusammen getrieben haben, den Schnee schmelzen, und die Welt durch ihren Glanz wieder verjüngen. Sie wißen was für große Dinge ich von der Sonne halte; das Gleichniß ist also das Schönste, was ich von Ihrem Geschlechte nur habe sagen können, und ich hab es auf Unkosten des meinigen gethan!

Es ist gut, daß Sie Sich ihr kleines Zimmer (denn troz dem weggenommenen Ofen kann ich es nicht mit der Peterskirche vergleichen) durch Reisebeschreibungen recht groß und weit machen. Mir ist es immer ein unaussprechliches Vergnügen, mich im möglichst kleinsten körperlichen Raum im Geist auf der großen Erde herum zu tummeln. Indessen auf das wirkliche Reisen lassen Sie Sich doch lieber nicht ein – bleiben Sie uns so nah als möglich.

Sie haben mich ordentlich und sehr angenehm mit der Ausrechnung überrascht, daß der 12te Theil von unsrer Trennung vorüber ist. Wie lang ist mir aber dieser 12te Theil schon geworden, und wie langsam werden die übrigen Eilfe sein! Aber gottlob! Indem ich schreibe zerfließt die Zeit unter meinen Händen. Zählen Sie darauf, dass ich mit den Erdbeeren oder noch früher erscheine!

Dank Ihnen für Ihre Sorgfalt um das Pack. Es ist doch immer gut, wenn man unter dem Einfluß der Weißheit2 steht. Ich will das ersparte Geld zu Federkielen und Briefpapier verwenden, und Sie mit recht vielen Briefen dafür heimsuchen.

Der Chere Mere wünsch ich Glück zum ausgezogenen Zahn. Das geschwollene Gesicht hoffe ich soll sich legen, es ist wahrscheinlich noch ein Rest vom vorigen, und durch den Reiz den die operation gemacht hat, vermehrt worden. Ich wünsche ihr vom ganzen Herzen auf immerdar davon befreyt zu seyn; nun aber hoffe ich das beste, da sie den bösen Zahn verloren hat. Machen Sie Ihr recht viele Empfehlungen; wie oft habe ich mich indeß schon der Abende erinnert, wo wir uns beim Thee um den erfindungsreichen Odyßeus versammelten! Ich habe jezt auch eine CaffeMaschine, die aber (ich muß es zu meinem Lobe sagen) sehr mäßig gebraucht wird.

Leben Sie nun wohl beste Freundinn und fahren Sie fort recht glücklich zu leben und meiner dabei eingedenk zu bleiben.

Schiller.