Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Caroline v. Beulwitz

(An Caroline).

Weimar d. 3 Jenner [Sonnabend] 89.

Das wäre etwas vortrefliches, wenn die Reise der Prinzen zu stande käme, und Sie dadurch Freyheit erhielten, Ihren Auffenthalt sich selbst zu wählen! Auch wenn ich nicht in der Welt wäre, so würde Ihre Wahl gewiß auch auf Jena gefallen seyn, und das Vergnügen, das Sie nun einem andern Geschöpfte Gottes dadurch machen ist billig ein Beweggrund mehr. Mächte der Himmel nun die Geldbörse des Erbprinzen regieren, und ihm die Bildung seiner Söhne recht nah an’s Herz legen!

Wie ich übrigens mein neues Verhältniß ansehe, wird Ihnen Ihre Schwester sagen, der ich mehr davon geschrieben habe. Der Abschied von den schönen freundlichen Musen ist immer hart und schwer, und die Musen – ob sie schon Frauenzimmer sind – haben ein rachsüchtiges Gemüth. Sie wollen verlassen, aber nicht verlassen werden, und wenn man ihnen den Rücken gekehrt hat, so kommen sie nachher auf kein Rufen mehr zurück. Wenn dieß aber auch nicht wäre, so rächen sie sich schon durch ihre Abwesenheit genug.

Mit den dortigen Menschen übrigens denke ich schon leidlich auszukommen. Eigentlich gerathe ich auch mit keinem in Collision, weil ich nicht hingehe, um Geld zu verdienen, und höchstens 2 Collegien lese.

Moritz wird noch 4 Wochen hier bleiben. Ich habe seine Schrift über bildende Nachahmung des Schönen von der Frau von Stein nach Hause genommen und nur flüchtig durchlesen. Es ist schwer zu verstehen, weil er keine feste Sprache hat, und sich mitten auf dem Wege philosophischer abstraction in Bildersprache verirrt, zuweilen auch eigene Begriffe mit anders verstandenen Wörtern verbindet. Aber es ist voll gedrängt von Gedanken, und nur zu voll gedrängt, denn ohne einen Commentar wird er nicht verstanden werden. Von Schwärmerey ist er nicht darinn frey, und Herderische Vorstellungsarten sind sehr darinn sichtbar. Was mir und einem jeden Schriftsteller misfallen muß, ist die übertriebene Behauptung, daß ein Produkt aus dem Reiche des Schönen ein vollendetes Rundes ganze seyn müsse; fehlte nur ein einziger Radius zu diesem Zirkel, so sinke es unter das Unnütze herunter. Nach diesem Ausspruch haben wir kein einziges vollkommenes Werk, und so bald auch keines zu gewarten. Was er mündlich an einigen Orten hier behauptet hat, ist übertrieben und fällt ins Lächerliche. Es scheint dass er keinen Dichter erkennt als Göthen und allenfalls noch einen. Herdern vielleicht; da doch Göthe (von Herdern mag ich gar nicht reden) bey diesen Foderungen sehr zu kurz kommen würde. Aber Moriz rechnet den Egmont sogar unter dieser vollendete Produkte, welchen Göthe selbst hoffentlich nicht für vollkommen hält. Ich ärgere mich über jeden Sektengeist und Vergötterung anderer; aber an Moritz ist sie mir doppelt unausstehlich, weil er selbst ein vortreflicher Kopf ist.

Uebrigens haben seine philosophische Untersuchungen sehr glücklich auf sein Gemüth gewirkt, und ihn aus einer schrecklichen Seelenlage gerissen, wie er selbst gesteht. Sein Geist hat durch anstrengendes Denken über seine Hypochondrie gesiegt, die ihn bei seiner Disposition zur Schwindsucht ohne diese innre Hilfe bald würde aufgerieben haben.

Ich bin begierig was Sie zu seiner Schrift sagen werden; Sie müssen sie sich anschaffen. Es sind nur 3 Bogen.

Ich habe jezt leider für solche Materien keine Zeit, sonst würde ich mich kaum überwunden haben, mich auch darein einzulassen. Aber einmal nehme ich sie doch vor, wäre es auch nur, um meine eigene Ideen darüber zu berichtigen.

Sie sind ja gar erstaunlich folgsam, dass Sie die Mathematik nun vornehmen wollen! Ich bin voll Erwartung, wie sie Ihnen beym ersten Besuche gefallen hat, und ob Sie die Bekanntschaft fortsetzen werden.

Leben Sie recht wohl! Erfreuen Sie mich recht fleißig mit Briefen, Sie müssen wissen, wie viel Freude Sie mir dadurch geben! adieu! Beulwiz empfehlen Sie mich recht schön und Ihrer Mutter. Hat Ihnen der Agamemnon u. Oedipus von Colone1 gefallen? adieu.

Schiller.