Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar, d. 17. Jenner [Sonnabend] 1789.

Diese Professur soll der Teufel holen; sie zieht mir einen Louisd’or nach dem andern aus der Tasche. Die Geheimen Kanzleien von Gotha und Coburg haben ich bereits mit Contos für Expeditionsgebühren eingestellt, und mit jedem Posttag drohen mir noch zwei andere von Meiningen und Hildburghausen. Jede kommt mich gegen 5 Thaler und die gothasche auf 6 zu stehen. Der Magisterquark soll auch über 30 Thaler, und die Einführung auf der Universität ihrer 6 kosten. Da hab ich nun schon eine Summe von 60 Thalern zu erlegen, ohne was anders als Papier dafür zu haben. Die Sache geht schneller als man gedacht und besonders schneller, als mein Beutel darauf gerechnet hat. Ein Glück ists indessen, daß es noch in eine Zeit fällt, wo ich nicht ganz blank bin.

Deinen sehr begierig erwarteten Brief habe ich noch nicht, weil die Post noch nicht herein ist vermuthlich. Ich habe doch nun den sichtbaren Genuß von meinem Fleiße, denn außer einem Packet von 9 gedruckten Bogen, das neulich abgegangen ist, qualificirt sich schon wieder ein neues von 12 zur Versendung. Ich werde ordentlich überraschen mit meinen 3 Heften Thalia, die Göschen zugleich ausbringen soll.

Ich vergaß Dir neulich wegen der Memoires zu schreiben. Ueber die Ordnung bin ich noch nicht bestimmt, doch werde ich solche Epochen vorzugsweise wählen, die mit meinem Geschichtsstudium für dieses Jahr in näherer Beziehung stehen, also mehr aus den mittleren als aus den alten oder neuesten Zeiten.

d. 22. Jenner [Donnerstag].

Ich wurde neulich unterbrochen, und da ich Deinen Brief erst Nachts erhielt, die Post aber mit Tagesanbruch ging, so konnte ich Dir nicht sogleich antworten. Dein Urtheil über die Künstler freut mich, überraschte mich aber auch gar nicht, weil wir uns ja kennen. Etwas ausführlicher hätte ich es gewünscht aus dem vorzüglichen Grunde, weil ich mich mit Dir gern einmal recht ausgesprochen hätte. Ich finde Deine Bemerkungen meistens sehr wahr; in einigen Kleinigkeiten hast Du mich mißverstanden, so z. B. „Was ist der Menschen Leben u. s. f.“ zwischen diesem und dem Vorhergehenden, das wir ihm umgethan, ist nur ein Komma; es heißt also: Was ist das Leben der Menschen, wenn ihr ihm nehmet, was die Kunst ihm gegeben hat? Ein ewiger aufgedeckter Anblick der Zerstörung. Ich finde diesen Gedanken sogar tief, denn wenn man aus unserem Leben herausnimmt, was der Schönheit dient, so bleibt nur das Bedürfniß; und was ist das Bedürfniß anders, als eine Verwahrung vor dem immer drohenden Untergang? Daß es schwer hält, etwas auszustreichen, find ich auch; denn was nur immer möglich war, habe ich bereits gethan, ehe ich Dirs schickte. Ueber ein Drittheil ist auf diese Art verschwunden. Ich fürchte, daß eher Mittelglieder noch nöthig sein dürften, und da würde das Gedicht also noch länger – und die Länge ists, was ich am meisten fürchte. Die Anfangsstrophe gefiel mir – auch als Anfangsstrophe – sie führt rasch in die Materie, und verräth doch auch nicht gleich das ganze Geheimniß. Ich komme so gleichsam durch eine Seitenthüre in die Peterskirche. Aber das Schwere bei diesem Anfang ist immer die Brücke zu dem Uebrigen. Indessen behalt’ ich das Gedicht noch 2 bis 3 Wochen. Die Wahrheit geht verzehrend über Sternen, kann man dichterisch sagen, weil man sie mit dem Sonnenlicht zu vergleichen gewohnt ist; vorzüglich aber im ganz prosaisch wahren Sinne, weil die nackte Wahrheit uns zu Narren machen würde, da unsere Vernunft nicht darauf calculirt ist. Ewiger Raum kann der Dichter insofern sagen, weil man die Ewigkeit braucht, um die Unendlichkeit zu durchlaufen, gerade sowie man sagen kann, ein viertelstündiger Weg, weil man soviel Zeit braucht, um ihn zu durchgehen. Um dem Worte kindisch auszuweichen: „sieht man sie kindisch u. s. f.“ will ich setzen: wird sie zum Kind, daß Kinder sie verstehen, und alsdann: wird dort als Wahrheit uns entgegengehen (weil stehen sich nicht auf verstehen reimen darf). Sonst gewinne ich bei dieser Veränderung auch noch, daß vor uns stehen in dieser Strophe nicht zweimal wiederholt wird. (Uebrigens ein Beweis, Herr Patron, daß er nicht recht wachsam gelesen hat, sonst hätte er diesen Uebelstand auch rügen müssen.) Warum soll es nicht passen, daß die Künstlererscheinung in der moralischen Welt mit dem Lenz verglichen wird? Es giebt kein wahreres Bild. Kunst ist nicht die Bestimmung des Menschen, sondern die Blüthe einer höheren Frucht. Zergliedere diese Vergleichung, Du wirst sie immer wahrer finden. Statt stolzen Bogen u. s. w. (wo Du sehr recht hast), will ich ein weniger übertriebenes Bild zu wählen suchen.

Eben schreibt mir Bertuch, daß es mit Mauken in Jena wegen der Memoires berichtigt ist. Vier Bände des Jahrs, jeder ein Alphabet, der Bogen ein Carolin. Davon kann ich leben, und Dir noch ganz charmant den vierten Theil an den Werken cediren. Mit Johannis soll der Druck angefangen werden. Deine Gibbonsche Uebersetzung schicke nur bald. Es ist mir sehr lieb, daß sie aus dem noch nicht Uebersetzten ist.

Stelle Dir vor, daß mir der Geisterseher anfängt lieb zu werden, und jetzt, da ich ihn hineilen muß. Das rettet ihn zwar von gänzlicher Leerheit; mir aber muß es immer so ergehen, daß meine Neigung und die Umstände mit einander im Widerspruch stehen. Ich habe diese Tage ein philosophisches Gespräch darin angefangen, das Gehalt hat. Ich mußte den Prinzen durch Freigeisterei führen.

Lebe wohl. Schreib mir bald wieder. Ich lebe jetzt fast nur von meinen Arbeiten, meinen Hoffnungen und Dir. – Grüße mir die Weiber recht herzlich.

Schiller.