Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Caroline v. Beulwitz

An Karoline.

Weimar d. 25. Febr. [Mittwoch] 89.

Lassen Sie sich das nicht anfechten, dass Sie mit der Moritzischen Schrift nicht sogleich haben zu recht kommen können. Es ist mehrern Leuten so ergangen und eigentlich allen, weil es ein wenig viel von dem Leser gefodert ist, in ein paar Stunden aus einem Buche herauszufinden, was der Verfaßer in 3 Jahren hineingelegt hat. Knebel, der fleißig genug mit Moritz umgegangen ist, versteht noch nicht was er meynt; ich, der auch noch nicht bekannt genug mit dem Buche ist, habe ihm neulich noch Aufschlüße geben müssen, die mir aus einem Gespräch mit Moritz noch erinnerlich waren.

Ich habe die Bogen nun Körnern geschickt, und will hören, was der sagt. Kunstkritik ist eigentlich das rechte Fach für meinen Freund Körner. Ich denke, das Buch soll ihm Vergnügen machen.

Was Sie von Göthen schreiben mag allerdings wahr seyn – aber was folgt daraus? Wenn ich auf einer wüsten Insel oder auf dem Schiff mit ihm allein wäre, so würde ich allerdings weder Zeit noch Mühe scheuen, diesen verworrenen Knäuel seines Karakters aufzulösen. Aber da ich nicht an dises einzige Wesen gebunden bin, da jeder in der Welt, wie Hamlet sagt, seine Geschäfte hat, so habe ich auch die meinigen; und man hat wahrlich ein wenig baares Leben, um Zeit und Mühe daran zu wenden, Menschen zu entziffern, die schwer zu entziffern sind. Ist er ein so ganz liebenswürdiges Wesen, so werde ich das einmal in jener Welt erfahren wo wir alle Engel sind.

Im Ernst, ich habe zuviel Trägheit und zuviel Stolz, einem Menschen abzuwarten, biss er sich mir entwickelt hat. Es ist eine Sprache, die alle Menschen verstehen, diese ist, gebrauche deine Kräfte. Wenn jeder mit seiner ganzen Kraft wirkt, so kann er dem andern nicht verborgen bleiben. Dieß ist mein Plan. Wenn einmal meine Lage so ist, dass ich alle meine Kräfte wirken lassen kann, so wird er und andre mich kennen, wie ich seinen Geist jetzt kenne. Aber dises lassen Sie mich Ihnen einmal für allemal sagen. Erwarten Sie nicht zuviel herzliches und ergießendes von Menschen, die von allem was sich ihnen nähert in Bewunderung und Anbetung gewiegt werden. Es ist nichts zerbrechlicher im Menschen als seine Bescheidenheit und sein Wohlwollen; wenn so viele Hände an dieses zerbrechliche zarte Ding tappen, was wunder, wenn es zu schanden geht? Wenn mich je das Unglück oder Glück träfe, sehr berühmt zu werden (und das ist in sofern möglich, als man es jezt wohl werden kann und wird, ohne es zu verdienen), wenn mir dieses je passirt, so seyen Sie mit Ihrer Freundschaft gegen mich vorsichtiger. Lesen Sie alsdann meine Schriften und lassen den Menschen übrigens laufen.

Es ist ebenso mit Herdern, und wenn Wieland nicht eine so reichliche Fülle von Schwachheiten hätte, die einen zum Lächeln bringen und über seine Vorzüge trösten, so würde auch mit ihm nicht auszukommen seyn.

Haben Sie noch keine Schrift von Mirabeau zu Gesichte bekommen, die eine Histoire Sécrete vom preußischen Hofe enthält. Sie ist in Paris erst vor kurzem erschienen, und soll die allerungeheuersten Dinge von dem jetzigen König, dem Prinzen Heinrich und mitunter auch von dem Herzog von Weimar enthalten – und was das schlimmste ist, diese scandalosen Dinge sollen wahr seyn. Wenigstens das, was den Herzog von Weimar angeht, hat Göthe bejaht und die Herzoginn nicht verneint. Unter andern soll der König Willens gewesen seyn, sich die Voss zur linken Hand trauen zu lassen, und sich um die Einwilligung der Königin darein beworben haben. Wenn Sie das Buch allenfalls bekommen, so schicken Sie mirs auf 8 Tage.

adieu. Empfehlen Sie mich der Chere Mere u. Beulwitz recht schön und denken Sie meiner!

Schiller.