Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Lotte v. Lengefeld

Lottchen.

Weimar d. 25ten Febr. [Mittwoch] 89.

Ich habe Ihnen den Vorwurf gemacht, daß Sie mir über meine Griechin und über Moritz Aufsatz so wenig geschrieben haben, und hätte Ihnen sollen dafür danken, daß Sie nur so viel thaten. Sie waren nicht wohl und mußten das Bette hüten, und haben doch an mich gedacht. Dafür sey Ihnen alles schöne gewünscht! Vor allem aber werden Sie recht gesund und lassen sich von diesem milden Wetter in eine recht heitre Laune stimmen!

Diese Verkündigung des Frühlings erfreut Herz und Seele. Ich mache mir diese milde Luft auch zu nutz, und lebe mehr mit der Natur. In wenigen Tagen ist schon Merz; in zwey Monaten ist es ein Jahr, daß ich nach Volkstädt gezogen bin. Wie schnell eilt die Zeit! Wie nahe wär ich jezt dem schönen Zeitpunkt unsers Zusammenlebens, wenn alles geblieben wäre, wie wirs bey meinem Abschied ausmachten! Aber es werden schon noch schöne Tage – oder doch schöne Stunden kommen.

Gestern war die letzte Redoute, ich war aber nicht darauf. Ein drückendes Kopfweh hat mir alle Lustbarkeit verleidet. Ich kann Ihnen also von diesen Herrlichkeiten gar nichts erzählen.

Die Anekdote von Knebeln1 hat mich belustigt. Aber ich kann mich noch nicht recht daraus finden. War denn dieser Brief, den Göthe in den Merkur gesetzt hat, wirklich aus Italien an ihn geschrieben? So hätte er ja längst darüber böse seyn sollen und nicht erst jezt; denn da er nicht genannt ist so kann ihm daran, daß er gedruckt ist, nichts liegen. Auch kann ich mir nicht wohl denken, daß Göthe diesen Brief, ohne Knebeln zu fragen, eingerückt haben würde, wenn er wirklich einmal an ihn geschrieben worden ist.

Übrigens verbreitet dieser Brief ein Licht über die Kneblische Correspondenz nach Italien; mir däucht, ich seh ihn leben und weben mit seinen gefrornen Fensterscheiben! Ich war kürzlich bei ihm, und habe mich ganz warm mit ihm über metaphysick gestritten. In Jena wird dies doch manchmal der Fall seyn. Wir vertragen uns im philosophischen Dispute recht gut, und Ideen bei einem zu entwickeln, oder die, welche man schon hat, zu einer gewissen Klarheit im Vortrag zu bringen, dazu ist Knebel ganz gut. Nur das Aufschreiben oder wenigstens das Druckenlassen seiner Ideen soll er aufgeben!

Ich negotiiere mir jetzt ein Logis in Jena. Ein Bekannter von mir, ein gewisser Göttling der als Professor der Chemie nach Jena geht, hatte mir Hofnung gemacht, daß wir ein ganzes Haus zusammen miethen könnten und also recht ungestört seyn würden; aber es geht nicht an und mir thut es wirklich leid. Ich mache mir schon kleine Plane vom Vergnügen, das ich in verlorenen Stunden an seinen chemischen Operationen finden würde. Die Chemie hat viele Reize, sie gibt mannichfaltige Verwicklungen und lößt sie angenehm auf. Wer weiß, ob es Ihnen nicht auch ein mal Vergnügen gemacht hatte, wenn sie einmal nach Jena gekommen wären, diese Sachen einmal mit anzusehen! Daß Knebel noch nicht aufs Goldmachen, wenigstens noch nicht auf Chemische Operationen verfallen ist, nimmt mich in der That wunder. Ich glaube, er hätte es schon getan, wenn man sich nicht so rußig dabey machte, und das ist nichts für einen so recherchirten Gesellschafter und Hofcavalier.

Körner schickte mir dieser Tage ein fragment, das er aus Gibbon übersetzte; es ist Mahomets Portrait und die Geschichte der ersten Gründung seiner Religion. Dieß ist das erste, was ich von Gibbon lese. Ich finde es voll Genie und mit einem kräftigen Pinsel dargestellt; aber im historischen Stil liebe ich doch mehr die schöne Leichtigkeit der Franzosen. Mir kommt vor, daß Gibbon noch keinen gebildeten historischen Styl hat, und daß er die Kürze der Alten etwas affektiert. Doch ich kann leicht die Fehler der Uebersetzung dem Original zur Last legen, und will also mein Urteil suspendiren.

Mit der Neuigkeit2, die Sie mir nächstens ankündigen, haben Sie mich fast erschröckt. Es gibt allerley Dinge, die ich nicht wünsche, daß sie geschähen, und diese fallen mir gleich ein, wenn von etwas das geschehen soll die Rede ist.

Leben Sie recht wohl und haben Sie nochmals Dank für Ihr Andenken an mich. Ich bin so oft bey Ihnen. adieu. Recht viele Grüße.

Schiller.