Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Lotte v. Lengefeld.

Weimar d. [26.] März [Donnerstag] 1789.

Ueber die gute Sonne haben wir zu bald triumphiert. Es gieng mir gestern auch so wie Ihnen, und ich freute mich der Ankündigung des Frühlings – aber alles ist wieder mit Schnee bedeckt, und alles ligt traurig um mich her. Daß wir doch auf diesen schlechtesten Theil des Globus verbannt sind, wenn andre, die es nicht werth sind, unter einem schönen lachenden Himmel leben! Es thut mir oft wehe, daß mir und meinen Freunden deren schöne Seele sich unter einem lieblichern Clima so viel reicher und schöner entfaltet haben würde, ein so schlechtes Loos gefallen ist. Man kommt nur einmal auf die Erde, und soll gerade mit dem dürftigsten Platz auf ihr vorlieb nehmen. Hätte ich Knebels Laune und hinreissenden Pinsel, wie wollte ich diese Betrachtung ausmahlen! So aber gebe ich mich zufrieden, und sage zu mir, daß ich nur auf thüringischer Erde die Freunde finden konnte, die ich fand – und daß ich der Saale mehr zu verdanken habe, als der Ganges mir hätte geben können.

Bey Ihrer Bewunderung der Schweitzerischen Helden – gestehen Sie es nur – mag wohl eine kleine Vorliebe für das Land, das Sie in einer sehr empfänglichen Epoche Ihres Geists kennen lernten, mit unterlaufen. Ich mache den Schweitzern die Tapferkeit und den Heldenmuth nicht streitig – nichts weniger. Aber ich danke dem Himmel, daß ich unter Menschen lebe, die einer so großen Handlung, wie die That des Winkelried ist, nicht fähig sind. Ohne das, was die Franzosen férocité nennen, kann man einen solchen Heldenmuth nicht äusern; die Heftigkeiten, deren der Mensch in einem Zustande roher Begeisterung fähig ist, kann man der Gattung bloß als Kraft, aber dem Individuum nicht wohl als Größe anrechnen. Wenn ich Ihnen Beispiele ähnlicher Stärke des Muths aus den Religionskriegen anführen wollte, so würden Sie diese und ähnliche Thaten vielleicht nur noch anstaunen aber weit weniger bewundern.

Darthula ist eins der schönsten Stücke aus Ossian. Gleich der Anfang, die Anrede an den Mond hat unendlich viel anziehendes und eine rührende Einfalt. „Sind deine Schwestern vom Himmel gefallen und kommst du hieher, sie zu betrauren?“ Es ist überaus menschlich und menschlich schön, wie er alles, auch die leblose Natur, durch Sympathie an sich anschließt, und mit seinen Empfindungen belebt. Ich freue mich, mich eines der angenehmsten Augenblicke meiner frühern Jugend mich durch Sie wieder zu erinnern.

Von Popens Versuch existiren einige Uebersetzungen, wovon die eine glaube ich von Schloßers Hand ist. Schloßer hat auch einen Antipope gemacht, worinn er den Versuch vom Menschen poetisch widerlegt. Die andre Uebersetzung ist kalt und flach.

Ich habe eben einen Brief von Körnern erhalten, worinn er mir über die Künstler schreibt. Er ist ganz davon begeistert und fühlt, was ich auch sehr lebhaft fühle, daß es biß jezt das beste meines Geistes ist. Es ist aber auch lange Zeit das letzte.

Leben Sie recht wohl, und der Frühling finde Sie gesund. Diese schlechte Luft drückt meine Seele und der Schnupfen tyrannisirt mich schon seit 8 Tagen. Ich habe eine Leiche im Hause, die älteste Volksstädt1 ist vorgestern gestorben.

Adieu! Ewig der Ihrige

Friedrich Schiller.

Beulwitz und ihre Mutter grüßen Sie recht schön.