Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Lotte von Lengefeld und Caroline von Beulwitz

Weimar d. 21. [fälschlich für 23.] April [Donnerstag] 89.

Nur einige Worte für dießmal. Ich habe disen Abend eine kleine Gesellschaft zu mir gebeten, und morgen will die Botenfrau mit dem Tag wieder abgehen.

Es freut mich, Sie wieder beßer zu wißen; wenn das Wetter sich erst gründlich verbeßert hat und der schöne May da ist, so werden auch Sie mit ihm aufleben. Freilich sah ich dem vorigen Sommer fröhlicher entgegen, als dem jetzigen, und zuweilen bilde ich mir ein, daß auch Ihnen einige Freuden in diesem fehlen werden, aber Sie sind ungleich glücklicher als ich. Sie genießen doch ungestört sich selbst; nichts hindert Sie, Ihrem Herzen zu folgen, und in Ihren Empfindungen zu schwelgen.

Warum trennte uns das Schicksal? Ich bin gewiß, wie ich es von wenigen Dingen bin, daß wir einander das Leben recht schön und heiter machen könnten, dass nichts von alle dem, was die gesellige Freude so oft stört, die unsrige stören würde. Wenn ich mir denke, wie schön sich jeder Tag für mich beschliessen würde, wenn ich nach Endigung meines Tagewerks mich immer zu Ihnen flüchten, und in Ihrem Kreise den bessern Theil meines eigenen Wesens aufschliessen und geniessen könnte. Alle neue Ideen, die wir erwerben, alle neue Anschauungen der Dinge und unsres eigenen Selbsts würden uns doppelt wichtig, ja sie erhielten erst ihren wahren Werth, wenn wir die Aussicht vor uns hätten, sie unsrer Freundschaft als neue Schätze als neue Genüsse zuzuführen. Wir würden uns beeifern unsern Geist mit neuen Begriffen, unser Herz mit neuen Gefühlen zu bereichern, eben so wie sich ein edler Mensch seines Vermögens freut, um es mit seinen Freunden zu genießen. Warum soll dieser Wunsch unerfüllbar seyn?

Ich bin diese Woche noch immer nicht ganz wohl gewesen, und dieses hat mich in meinen jetzigen Beschäftigungen merklich zurückgesetzt. Zerstreuungen von aussen kamen dazu, die mich aus meiner Ordnung brachten, ohne mich durch etwas andres zu entschädigen.

In der Uebersetzung1 die Sie mir heute schickten sind wieder recht glückliche Stellen, bey denen ich nur fürchte, dass sie nicht so ganz im Original stehen mögen. Ich werde doch das lateinische Original dagegen halten, um zu sehen, ob Sie unwißend demselben nahe gekommen sind.

Schicken Sie mir doch auf den nächsten Botengang die Anthologie. Ich brauche sie so eben, und kann mich nicht mehr besinnen, wer die meinige hat. Vergessen Sie es aber nicht.

Möge der Himmel das Gewitter2, das aus Thüringen gegen sie im Anzug ist, glücklich vorüber führen!

Leben Sie recht wohl und denken Sie meiner auf Ihren schönen Wanderungen. Ihr

S.

Das Mscrpt das bey Boden ligt will ich besorgen. Grüßen Sie Ihre Mutter und Beulwitz.