Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Lotte von Lengefeld

[3. August, Montag 1789.]

Ist es wahr theuerste Lotte? darf ich hoffen, daß Caroline in Ihrer Seele gelesen hat und aus Ihrem Herzen mir beantwortet hat, was ich mir nicht getraute, zu gestehen? O wie schwer ist mir dieses Geheimniß geworden, das ich, solange wir uns kennen, zu bewahren gehabt habe! Oft, als wir noch beysammen lebten, nahm ich meinen ganzen Muth zusammen, und kam zu Ihnen, mit dem Vorsatz, es Ihnen zu entdecken – aber dieser Muth verliess mich immer. Ich glaubte Eigennutz in meinem Wunsche zu entdecken, ich fürchtete, dass ich nur meine Glückseligkeit dabey vor Augen hätte und dieser Gedanke scheuchte mich zurück. Konnte ich Ihnen nicht werden, was Sie mir waren, so hätte mein Leiden Sie betrübt, und ich hätte die schöne Harmonie unserer Freundschaft durch mein Geständniß zerstört, ich hätte auch das verloren, was ich hatte, Ihre reine und schwesterliche Freundschaft. Und doch gab es wieder Augenblicke, wo meine Hofnung auflebte, wo die Glückseligkeit, die wir uns geben konnte, mir über alle alle Rücksichten erhaben schien, wo ich es sogar für edel hielt, ihr alles übrige zum Opfer zu bringen. Sie konnten ohne mich glücklich seyn – aber durch mich nie unglücklich werden. Dieses fühlte ich lebendig in mir – und darauf baute ich dann meine Hofnungen. Sie konnten sich einem andern schenken, aber keiner konnte Sie reiner und zärtlicher lieben, als ich. Keinem konnte Ihre Glückseligkeit heiliger seyn, als sie es mir war und immer seyn wird. Mein ganzes Daseyn, alles was in mir lebt, alles, meine theuerste widme ich Ihnen, und wenn ich mich zu verdeln strebe, so geschiehts, um Ihrer immer würdiger zu werden, um Sie immer glücklicher zu machen. Vortrefflichkeit der Seelen ist ein schönes und ein unzerreißbares Band der Freundschaft und der Liebe. Unsre Freundschaft und Liebe wird unzerreißbar und ewig seyn, wie die Gefühle, worauf wir sie gründen.

Vergeßen Sie jezt alles, was ihrem Herzen Zwang auflegen könnte, und lassen Sie nur Ihre Empfindungen reden. Bestätigen Sie, was Caroline mich hoffen ließ. Sagen Sie mir, daß Sie mein seyn wollen, und dass meine Glückseligkeit Ihnen kein Opfer kostet. O versichern Sie mir dieses, und mir mit einem einzigen Wort. Nahe waren sich unsre Herzen schon längst. Laßen Sie auch noch das einzige fremde hinwegfallen, was sich bisher zwischen uns stellte, und nichts nichts die freye Mittheilung unserer Seelen stören.

Leben Sie wohl theuerste Lotte. Ich sehne mich nach einem ruhigen Augenblicke Ihnen alle Gefühle meines Herzens zu schildern, die in dem langen Zeitraum, daß diese Einzige Sehnsucht in meiner Seele lebt, mich glücklich und wieder unglücklich gemacht haben. Wie viel habe ich Ihnen noch zu sagen?

Säumen Sie nicht, meine Unruhe auf immer und ewig zu verbannen. Ich gebe alle Freuden meines Lebens in Ihre Hand. Ach, es ist schon lange, daß ich sie mir unter keiner andern gestalt mehr dachte, als unter Ihrem Bilde. Leben Sie wohl, meine theuerste.