Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Caroline v. Beulwitz. 

Jena d. 5. Nov. [Donnerstag] 89.

Wenn ich es recht überlege, meine theuerste so weiss ich nicht, warum ich über die gestrige Estaffette nicht erschrocken bin. Zum Glück sah ich sogleich deine Hand, ich konnte also nicht denken, daß du etwa krank geworden seyst. Auch war Hufeland gerade mit einem Fremden bey mir (die übrigens nichts merkten, dank der erschrecklichen Simpelhaftigkeit deines Couriers!) Ich fühle nichts als Freude, eine Spur von dir zu sehen. Nun bin ich aber doch auf den Aufschluß begierig, den ich morgen erhalten soll. 

Ich komme eben von dem Lorbeerkranz, der aber heute sich gewaschen haben muß. Ich belüge ihn ganz erschrecklich, er ist ordentlich an mich attaschirt. Er scheint einen Plan zu haben mich zu verheurathen, er kam schon etlichemal darauf. Vermutlich aus zärtlicher Sorgfalt für mich, um mich – von einer Leidenschaft zu heilen, die er doch fast zu glauben scheint. Ich werde es mit vieler Lust herankommen sehen, das Projekt und die Auserwählte. Ohne Zweifel eine Freundinn vom Hause, eine wenigstens, die sich dazu qualifiziren wird. Wenn er dir oder Lottchen schreibt, daß ich nicht wohl gewesen sey, so sey ganz ruhig. Es ist nichts daran. Ich wollte es nur Grießb. nicht gerade wissen lassen, dass ich, meinen Arbeiten für den Druck zu gefallen, Collegien absagen lasse, weil es sonst gleich ein Gerede gibt. Darum sagte ich und ließ anschlagen, ich sey unpäßlich. 

Ich wollte dir so gern heute noch viel schreiben, aber ich weiss noch nicht wie es werden wird. Mein Kopf ist von einigen fleißigen Stunden wüste gemacht. Ich fange doch nun schon an, die Zeit eurer Ankunft zu berechnen. Vierzehn Tage unsrer Trennung sind vorüber, ich habe ziemlich viel mehr als sonst darinn gethan, und so hat das liebe Schicksal sie mir überstehen helfen. O was für eine schöne Aussicht es mir in das Leben macht, euch, nur euch im Hintergrund der Zukunft zu sehen. Möchte der Himmel diese Zukunft nur bald herbey führen, denn was mir in dem Zwischenraum auch selbst erfreuliches begegnen mag, so würde es ohne euch nie seine schönste Wirkung bei mir erreichen. 

Wenn Karolinens Gesundheit sich dauerhaft verbeßert, meine liebe, so wünsche ich dir von Herzen ihre Gesellschaft, Sie wird dir ein süßes Daseyn verschaffen. Sonst aber fürchte ich daß sie schädlich auf dich wirken wird, wenigstens dann, wenn du allein und nur mit Lottchen, mit ihr lebst, und du dich ausschließend an sie heftest. Karoline hat das sonderbare Schicksal, daß sie unglücklich macht, wenn sie nicht glücklich machen kann. 

Strafe mich für diesen kurzen und freundschaftlichen Brief nicht mit einem ähnlichen, meine theure Caroline. Ich kann dir nicht sagen, nicht Worte dazu finden, wie meine Seele dich umfaßt, und dieses verdirbt mir die Freude am Schreiben. Alle meine Gedanken umschlingen dich und könnte ich nur, in welcher Gestalt es auch sey – wär es nur mit diesem Herzen, um dich wohnen. Adieu lieber Engel. Leb wohl. 

S.