Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner. 

Jena, 23. November [Montag] 1789.

Was Du mir von meiner Situation in Jena schreibst, daß ich hier gar nicht an meiner Stelle bin – o, das fühle ich leider lebhaft genug! 

Daß ich auch nicht hier bleibe, weiß ich; nur, fürchte ich, werde ich noch das ganze folgende Jahr hier ausharren müssen: theils um bei dieser Gelegenheit, docendo nämlich, mich in der Geschichte mehr umzusehen, theils auch wegen meiner Heirath. 

Aus dem Briefe vom Coadjutor1, den ich beischließe, siehst Du, daß ich bei ihm einen Schritt gethan habe. Sage mir nun Deine Meinung, ob ich es dabei bewenden lasse, oder das, was er von Mainz sagt2, für einen Wink nehmen soll. Von ihm kann ich alles erwarten, wenn er anfangen wird zu können. Dann – möge der Himmel seinen Segen dazu geben, – dann, denke ich, ist für mich gesorgt! Was Du von Berlin schreibst,3 ist aus meinem Herzen genommen; aber die Schwierigkeiten dürften mir jetzt noch unübersteiglich seyn. Vor dem Verdiensterwerben würde ich mich bei besserer äußerer Lage und Muße so sehr nicht fürchten, wenn ich nur nicht unglücklicherweise, um sie zu erwerben, schon in der Lage seyn müßte, wozu die Verdienste mir erst verhelfen sollen. Auf das Frühjahr verlange ich von Weimar eine Erleichterung; Besoldung werde ich es wohl nicht nennen können, und ich kann von Glück sagen, wenn es zweihundert Thaler sind; mehr als hundert Thaler habe ich gar nicht zu erwarten. 

Länger als zwei Jahre kann dieses precaire Leben unmöglich mehr dauern. Ich weiß, daß ich einige Freunde in der Welt habe, die für mich handeln, wenn es möglich ist. Nur muß ich sie noch durch irgend ein gründliches Product – Gott verzeih mir diese Lästerung an der Kunst! – in ihren Verwendungen für mich unterstützen. Unterdessen, hoffe ich, sollen sich meine Memoires gut halten, die mir nicht so sehr viel Mühe kosten. Ich höre überall, auch von Göschen, der neulich hier war, daß sehr starke Nachfrage darnach sei. Mauke will mir acht Bände des Jahres drucken, wenn ich sie ihm schaffe; und wenn ich mehr Gehilfen finde, die mit dem halben Honorar zufrieden sind, so komme ich recht leicht zu sechshundert Thalern. Eine Diversion von meinem Hauptstudium macht mir diese Arbeit ohnehin nicht. 

Mit meiner geringen Anzahl von Auditoren ist es im Ganzen doch sehr natürlich zugegangen, weil ich zuletzt angeschlagen habe, wo die Studenten alle Ducaten, über die sie in diesem Winterhalbjahr disponiren können, schon bestimmt gehabt haben. Sehr großen Schaden thut mir Loder, der ein Collegium liest, welches nicht allein Mediciner hören. Jede Wissenschaft muß Brodwissenschaften weichen. Mein publicum ist ziemlich voll. Indessen gestehe ich, daß aller Eifer mich verlassen hat – und daß sie mich reut, soviel ich Haare auf dem Kopfe habe, nicht dieses und das folgende Jahr meine Unabhängigkeit behalten zu haben, um einen Hauptplan mit Muße und Freiheit zu verfolgen. Aeußeren Sporn hatte ich zu anhaltendem Fleiße nicht mehr nöthig. Der Himmel wird noch alles zum Besten wenden. Lebe wohl. M. und D. grüße ich herzlich. Den Brief des Coadjutors schicke mir mit Deiner nächsten Antwort zurück. Bist Du dafür, daß ich mich an den Churfürsten von Mainz wende, so schreibe mir doch seinen Titel auf. Hier darf ich niemand fragen. 

               Dein 

S.


Bemerkungen

1 Der Kurfürst, als dessen Nachfolger Dalberg designiert war, lebte aber, wie ich schon angemerkt habe, noch bis 1802. Danach wurde Dalberg Fürst Primas.
2 Vgl. II, 141.
3 Körner hatte dem Freunde die Stelle eines Preußischen Historiographen und Mitglieds der Berliner Akademie gewünscht.