Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz. 

Montag [30. November 1789.] 

Dank euch o allen Dank der liebe, meine theuersten, daß ihr kommt, daß ich euch sehen werde, daß ihr mir mehr hieltet als ich hoffte. O ich werde euch sehen – wär es auch nur auf Minuten, ich werde sie an eurem Herzen durchleben. Mit euch – o wie hab ich diese süsse Wirklichkeit so nöthig, eure liebe himmlische Gegenwart, Engel meines Lebens, meine einzige Glückseligkeit! – Daß auch ihr diese Sehnsucht theilt, die alle meine Gedanken, alle, zu euch wendet, in allem nur euch mich suchen und erkennen läßt – o wie viel Freude gibt mir diese Gewißheit, wie machte sich alles Leben in mir rege! – Ach daß das Schicksal der Menschen in den Händen eines Wesens wäre, das dem Menschen gleicht – vor dem ich mich niederwerfen könnte und Euch Euch von ihm erflehen! 

Wäret ihr schon mein! Wäre dieses jetzige Erwarten das Erwarten unsrer ewigen Vereinigung! Meine Seele vergeht in diesem Träume. Schon im lebhaften Gedanken an euch fühl ich meine Seele reicher göttlicher und reiner, ich fühle wie alles streitende in mir in einer süßen Harmonie sich versöhnt, und alle Gefühle meiner Seele in einem höhern schönern Wohlklang dahin fliessen. Was wird es seyn, wenn ihr mir wirklich, gegeben seid, ihr meine Engel, wenn ich Leben und Liebe von euren Lippen athmen kann! 

Könnten wir uns eben so leicht in unsre Liebe einschließen, als sie uns genug ist zu unserer Glückseligkeit für immer und ewig. Warum können wir es nicht? Warum darf uns die Welt ein Gut vorenthalten, das sie mit allem, was sie theures hat, nicht erhöhen kann.

Von eurem Vorschlage nichts, biß wir uns sehen – und doch möchte ich diesem kurzen eilfertigen Wiedersehen auch nicht gern Einen Augenblick rauben. In Einem Kusse in Einer Umarmung in Einem Blicke auf eure lieben Gestalten möchte ich es genießen. 

Gerne wäre ich euch nach Kala entgegen gefahren, aber was ihr mir von eurer Jgfr. schriebt, schreckte mich ab1, und ich wußte nicht, ob dies euch nicht unruhig machte. Wenn ihr nur bald hier eintreffen könnt! es thut nichts, wenn ihr auch etwas spät von hier wegfahret. Nur das erste Drittheil des Wegs ist schlimm, die Schnecke besonders, aber da thut ihr am besten, ihr steigt aus, und ich begleite euch hinauf. Von fünf biss sechs muß ich lesen. In dieser Zeit könntet ihr die Grießbach besuchen, und dann kurz vor 6 wegfahren. Sobald meine Vorlesung geendigt ist, reite ich nach, dass ich euch nahe an der Stadt noch erreiche. Euren Leuten kann dieses gar nicht auffallen, da der Weg nahe bey Jena wirklich schlimm und es noch dazu Nacht ist. Es sieht einer ganz gewöhnlichen Gefälligkeit gleich. 

Denket unterdessen über den Inhalt meines vorigen Briefes nach. Ich fürchte, wir werden darauf zurückkommen müssen – und wohl mir, wenn es nur geschieht. Alles übrige wird dann mehr in unsrer Gewalt stehen, wenn jenes nur berichtigt ist. 

Aber alle diese Entwürfe zeigen mir meine Glückseligkeit nur in der Ferne, und in welcher Ferne. Wie lang ist es schon biss Mittwoch, und wie werde ich viele Monate mit diesem Verlangen ausdauern! – Aber ich will jezt nicht klagen. Seh ich euch nicht in vierzig Stunden – Ach nur in diesen Gedanken ist Leben für mich. Meine Liebsten, meine einzige Freude, lebt wohl. Euch umschließt meine glüende Seele. O ihr seid mir so nahe! Eins mit mir selbst! Unzertrennlich von mir, wie die Liebe von meinem Daseyn, wie der Wunsch von der Glückseligkeit. Engel meines Herzens – o wo finde ich einen Ausdruck der die Liebe ausspricht, mit der ich euch liebe? Lebt wol. Lebt wol. 

Mit der Kalb geht es beßer. Ihre Krankheit war nicht gefährlich.


Bemerkungen

1 Lotte hatte ein Entgegenkommen widerraten, weil ihre Jungfer gern zärtliche Dinge ahnde und ein Reden im Wagen mit dieser kein gutes wäre. Lotte und Karoline kamen Mittwoch den 2. Dezember nach Jena und fuhren abends nach Weimar weiter.