Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz. 

Montag Abends [25. Januar 1790].

Hier, meine liebe, auch von meinem Papa ein Brief an Dich; Du wirst daraus hoffentlich Deine Pflichten gegen mich kennen lernen, und Dir sagen was Du werden sollst – meine Gehilfinn in der Ökonomie!! Lachen muß ich über den lieben Papa, der es so herzlich gut meynt und so herzlich schlecht sagt. Aber sie werden Dich beide, mein Vater und meine Mutter, recht lieb gewinnen; und den Wunsch, alle Monate, oder alle 2, zu schreiben, mußt Du ihnen erfüllen. Du brauchst nichts als über die Wirthschaft und über die Vorsehung zu schreiben; die Vorsehung ist auch dort ganz erstaunlich am Brett, und mit der Genugthuung steht es noch viel schlimmer – ich werde unterbrochen. 

Ihr habt es zu unruhig aufgenommen, dass ich nicht schrieb. Dieß kann bey mir durch Zufall geschehen, da ich allein bin; von euch, da ihr zu 2 seyd, mußte mirs schwerer zu erklären seyn; aber ich hab euch durch meine Pünktlichkeit verwöhnt. Würde ich nur ein wenig ernstlich krank, ich schrieb es euch gewiß; eine so schöne Gelegenheit, euch zu sehen, würde ich nicht unbenutzt lassen, das glaubt mir. Aber in vollem Ernst. Wir müssen einander diese Zwischenzeit seltner schreiben, es ist sonderbar genug, daß ich euch darum bitten muß. Ich bin für jedes Geschäft sonst verloren und mein Daseyn wird mir unleidlich; wie mir der Versuch gelingen wird, weiss ich nicht, aber ich muß suchen mich für etwas wissenschaftliches zu interessiren. Ich besann mich, ob ich nicht lieber mein jetziges Logis gar aufkündigen sollte, da es doch zu enge ist, aber meine Demoiselle, mit der ich darüber sprach, versichert mir, daß auf Michaelis Platz genug da seyn und sie mir ein Zimmer aufs schönste tapeziren lassen wollte. Auch einen großen schönen Garten mit einem Hause, das man bewohnen kann, haben sie auf dem Wege nach Rudolstadt, und dieser stehet ganz zu meiner Disposition. Schon dieß allein könnte mich in diesem Hause halten. Indessen wünschte ich doch, liebe, daß Du das Logis sähest und mir sagtest, ob es Dir leidlich ist, denn jetzt, da wir nicht pressirt sind, ließe sich vielleicht noch ein besseres finden. Nur ist dieser Umstand nicht zu übersehen, daß wir in meinem jetzigen Hause alle Meubles finden, die wir ? selbst anschaffen, und daß wir den Tisch darinn haben können. Du magst jetzt darüber entscheiden. 

Dem Lorbeerkranz habe ich endlich von unserer Verbindung gesagt. Es war eine widerwärtig-empfindsame Scene, ich habe einen Kuß von ihm ausstehen müssen. Aber ich fürchte, er hat sich auf einer Falschheit betreten lassen, die ihm nicht verziehen wird, wenn ich dahinter komme. Er wollte mich überreden, daß ich seiner Empfindung durch meine Kälte am Neujahrsmontag schmerzlich weh gethan habe. Stellt euch vor, er zog ein Papier aus dem Schranke, und las mir einen schriftlichen Aufsatz vor, den er an Jenem Abend, um seinem Herzen Luft zu machen, aus Drang der Empfindung niedergeschrieben habe. Der Titel heißt: Rechtfertigung meines Betragens gegen Schiller. Mir ist erstaunlich darinn geräuchert, und in Ausdrücken, wie kein gescheider Mensch sie in einem Aufsatz, der nicht gelesen werden soll, niederschreiben wird. Das ganze ist also wahrscheinlich ein Theaterstreich, womit der Kranz auch bey dir vielleicht sein Glück noch versuchen wird; vielleicht meynt er, wenn er dir ihn vorließt, dadurch Eingang zu Deinem Herzen zu finden. Ich schließe auch daraus daß es Betrug ist, weil sie darinn sagt, daß sie uns gleich am Anfang unsrer Bekanntschaft mit ihr, im Herzen für einander bestimmt habe; und mir sagte sie doch einmal im vorigen Sommer, dass sie mir zutraue, keine adeliche zu heurathen. Jetzt kann ich ihr nicht helfen, sie wird auf die Probe gesetzt, und besteht sie schlecht, so habe ich kein Erbarmen. Bringe ich aber heraus, dass sie wirklich Theil an uns nimmt, so muß man sie wenigstens nicht beleidigen. Sie läßt sich euch schön empfehlen.

Line aus Erfurt hat mir auch vor einigen Tagen geschrieben; die Erinnerung an unser letztes Beysammenseyn lebt noch in ihrer Seele. Sie ist doch ein unvergleichliches Geschöpf – Dich Caroline rechnet sie noch immer, nach unsrer Verbindung, auf einige Wochen in Erfurt zu haben. 

Ich habe Paulussens schon vor 8 Tagen zugesagt, auf die kommende FreitagsRedoute nach Weimar mit ihnen zu reisen, und nun muß ich Wort halten. Sehen werden wir einander wohl nur auf der Redoute, wo ich darauf rechne, meine lieben, euch zu finden; denn ich darf meine Vorlesung der Redoute zu gefallen nicht versäumen, das würde mir schrecklich ausgelegt werden! und kann also erst Abends gegen 6 von hier wegfahren, und vor 9 schwerlich ankommen: Bleiben werden wir wohl nicht, wenn ich anders Paulus nicht dazu bewegen kann, weil wir sonst das Fuhrwerk auf 2 Tage bezahlen müssen. Auf jeden Fall schreibe ich noch das Nähere, und ob uns der Heinrich Mäntel bestellen soll. 

Ich umarme euch meine Theuersten. Bei euch ist meine Seele. Ach sie ist es mehr als sie oft sollte. Lebt wohl! 

S.


Bemerkungen

1 Zu S. 27. Z. 2 v. u. Der Brief des Vaters ist nicht bekannt. 
2 Zu S. 29. Z. 7. v. u. Karolinenes v. D. Brief fehlt.