Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner. 

Jena den 1. März [Montag] 1790. 

Du wirst schon aus meinem langen Stillschwiegen schließen, daß unterdessen manches mit mir vorgegangen seyn müsse und Du schließest recht. Ich bin ein 6tägiger Ehmann; am letzten Montag als den 22sten wurden wir getraut, und nach einer Zerstreuung von acht Tagen ist dieß der erste ruhige Augenblick, den ich Dir widmen kann. Nicht als ob wir in dieser Zeit in Sauß und Brauß gelebt hätten; es gieng alles ganz still und häußlich zu, aber meine Schwiegermutter war diese Woche über hier, und einige Besuche aus Weimar, die ersten Einrichtungen kamen dazu, die mich nicht recht zum Schreiben kommen ließen. 

Verlange jetzt noch keine weitläufigen Details über meine innre u: äußere Veränderung. Ich bin noch in einem Taumel, und mir ist herzlich wohl dabey. Das ist alles, was ich Dir für jetzt von mir sagen kann. 

Die Veränderung selbst ist so ruhig und unmerklich vor sich gegangen, daß ich selbst darüber erstaunte, weil ich mich bey dem Heurathen immer vor der Hochzeit gefürchtet habe. Ich weiß nicht, ob ich Dir schrieb, daß ich nach Erfurt gehen würde, um eine Frau dort abzuholen u: d. Coadjutor zu besuchen. Diese Reise gieng vor 12 Tagen vor sich und ich lebte 3 angenehme Tage in Erfurt, in Gesellschaft meiner Frau u: Schwägerin welches mich nach und nach daran gewöhnte von ihnen ungetrennt zu seyn. Da man uns überall, wo wir hinkamen, als ein Paar ansah, und der Coadjutor besonders einen innigen Antheil an unserem Verhältniß nahm, so verschönerte mir dieses meinen Auffenthalt in Erfurt gar sehr. Am vorletzten Sonntag fuhren wir nach Jena, und den Montag darauf meiner Schwiegermutter entgegen, die von Rudolstadt kam. Noch unterwegs war die Trauung in einer Dorfkirche bei Jena, bey verschlossenen Thüren, von einem kantischen Theologen (dem Adjunct Schmidt) verrichtet; ein sehr kurzweiliger Auftritt für mich. 

Das Geheimniß ist ganz über meine Erwartung geglückt, und alle Anschläge von Studenten u: Professoren mich zu überraschen wurden dadurch hintertrieben. Mit meiner Schwiegermutter verlebten wir nun noch einig angenehme Tage, und da unsere Einrichtung gleich ordentlich gemacht war, so gaben wir schon die ersten Tage ein volles schönes Bild des häußlichen Lebens. Ich fühle mich glücklich, und alles überzeugt mich, daß meine Frau es durch mich ist und blieben wird. Meine Schwägerinn1 bleibt bey uns, aber ich mußte ihr ein ander Logis miethen, weil es mir zwischen jetzt und Michaelis noch an Zimmern fehlt. Unsere Einrichtung ist gut ausgefallen, und ich gefalle mir in dieser neuen Ordnung gar sehr. Meine Frau hat eine Jungfer und ich einen Bedienten, die mir beide nicht mehr zu unterhalten kosten, als Dir Ein Bedienter in Dresden. Mit der Kost und dem übrigen wird es bleiben, wie ich Dir schon geschrieben habe. 

Was für ein schönes Leben führe ich jetzt. Ich sehe mit fröhlichem Geiste um mich her, und mein Herz findet eine immerwährende sanfte Befriedigung außer sich, mein Geist eine so schöne Nahrung und Erholung. Mein Daseyn ist in eine harmonische Gleichheit gerückt; nicht leidenschaftlich gespannt, aber ruhig und hell gingen mir diese Tage dahin. Ich habe meiner Geschäfte gewartet wie zuvor, und mit mehr Zufriedenheit mit mir selbst. 

Jezt darf nur noch eine Veränderung geschehen, so habe ich nichts von außen mehr zu wüschen. Von dem Coadj. kann ich alles hoffen. Er hat sich von freien Stücken gegen mich über den bewußten Punkt herausgelassen, und mir in bestimmten Worten gesagt, daß er darauf zähle, mich in M. um sich zu haben, und mir eine Existenz, wie sie für mich gehöre, dort zu verschaffen; Er wüßte auch nicht, setzte er hinzu, wozu den Fürsten ihre Hilfsmittel nützten, wenn sie sie nicht dazu gebrauchten, vortreffliche Menschen um sich zu versammeln. 

Aber auch ohne jede Privatrücksicht ist d. Coadj. ein überaus interessanter Mensch für den Umgang, mit dem man einen herrlichen Ideenwechsel hat. Ich habe wenige Menschen gefunden, mit denen ich überhaupt so gern leben möchte, als mit ihm. Er hat meinen Geist entzündet, und ich, wie mir vorkam, auch den seinigen. Zwar scheint er mir etwas unstetes und schwankendes zu haben, u: darum dürfte er nicht dazu gemacht seyn, eine Materie und Gründlichkeit zu erschöpfen, aber seine Blicke sind hell, rasch u: weit verbreitet, und dieß macht ihn desto genießbarer im Gespräch. 

Meine Frau u: Schwägerinn hat er sehr lieb, und sie haben ihn wirklich erobert. Er mahlt gar schön, und erlaubte den beyden, ihn mahlen zu sehen. Er legte ein Gemählde an, welches auf unsere Heurath Beziehung hat. Es ist ein Hymen, der unsre Nahmen auf einen Baum schreibt, in der Nähe die Hippokrene und die Attribute des Trauerspiels u: der Geschichte. Das Gemählde ist Lottchen bestimmt, und in 14 Tagen sollen wirs haben. Eine Madonna hat er gemahlt, die wirklich ganz vortreflich ist. 

Huber hat mir heute auch geantwortet; und mich erfreut es herzlich, daß unser Verhältniß sich wieder findet. Aber wie konnte es anders kommen, wenn es einmal etwas wirkliches war? Ich glaube fast an jede Freundschaft, die auf den Karakteren ruht; denn man bleibt einander immer nothwendig. 

Huber scheint mir einen großen Wert auf das heimliche Gericht zu legen und das ist mir nicht lieb. Was ich davon gelesen, befriedigt mich nicht. Die Aufnahme wird seine Erwartung täuschen, und auch wegen ihm selbst wünschte ich, daß er ein strengeres Ideal hätte. 

Meine Frau u: Schwägerin grüßen Dich herzlich und empfehlen sich Minna u: Dorchen. Grüße M. und D. schönstens von mir. Wollte mir Dorchen eine Copie von meinem Bilde zukommen lassen, so würde sie mich sehr verbinden. Meine Schwiegermutter wünscht es zu haben und ich möchte ihr gern diesen Wunsch erfüllen. Lebe wohl. Ich schreibe Dir bald wieder. Willst Du so gut seyn und diesen Einschluß an Müllern schicken?

               Dein 

S.


1 Caroline v. Beulwitz, später mit Wilhelm von Wolzogen verheirathet.


Bemerkungen

1 Zu S. 55. Z. 18. Schiller war wahrscheinlich am 18. Februar nach Erfurt gereist, d. h. also vor 11 Tagen. 
2 Zu Z. 6. v. u. Der scheinbar frivole Ausdruck „kurzweilig“ bezieht sich wohl darauf, daß Schiller es scherzhaft fand, allen Neugierigen in Jena ein Schnippchen zu schlagen und sich bei verschlossenen Thüren heimlich, oder wie im Kirchenbuch steht „in aller Stille“ trauen zu lassen. Auch daß gerade ein Kantianer die Ceremonie vollzog, erleichterte ihm den gefürchteten Akt, da ihm die rituellen Formen der christlichen Kirche unsympathisch waren, die von dem Kantianer vermutlich weniger schroff betont wurden. Über die Hochzeit vergl. seiner Frau Aufzeichnung in ihrem Tagebuch vom 22. Febr. 1806 (Urlichs, Charl. v. Sch. I. 59) und den Auszug aus dem Kirchenbuch in Wenigenjena bei Palleske im Anhange zu Bd. II. Vergl. Urlichs II. 206 u. Fielitz II. 306. Hier finden sich, nebenbei bemerkt, einige auffällige Angaben: Schillers Vater heißt Joh. Friedrich Schiller, Lottens Vater auch hier im Gegensatz zu Schillers Angabe in Nr. 503 Karl Christoph v. Lengefeld (vergl. zu Nr. 503). Als Tag des Aufgebots wird hier ferner der 21. Febr., der Tag vor der Hochzeit, angegeben, während das Aufgebot nach Nr. 507 bereits am 14. Febr. vollzogen worden war.
3 Zu S. 56. Z. 6. Über die Wohnung und Einrichtung des jungen Ehepaars vergl. B. Litzmann: Schiller in Jena. S. 98. ff.
4 Zu S. 57. Z. 12. Hubers Brief fehlt; Schiller beantwortete ihn erst im August. Vergl. Nr. 532. 
5 Zu Z. 28. Müller war Schillers Schneider in Dresden.