Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Rudolstadt, 18. October [Montag] 1790.

Der Ueberbringer dieses, ein junger v. Wurmb, Geschwisterkind mit meiner Frau, kommt zu den Cadetten, und Du wirst mir eine Gefälligkeit erzeigen, wenn Du ihm manchmal erlauben willst, Deine Schwelle zu betreten. Der Minister Wurmb nimmt sich seiner an, und dieses Verhältnis giebt Dir vielleicht Gelegenheit, Dir auch jenen zu verpflichten. Viel Rücksicht brauchst Du nicht auf ihn zu nehmen, und für die Paar Augenblicke, die Du ihm zuweilen schenkst, hält Dich vielleicht der Kleine selbst durch seinen guten Verstand und seine Naivité schadlos. Ich wünschte nur, daß er bei Dir Rath finden möchte, wenn er ihn braucht, und daß Dein Auge im Ganzen seine Aufführung begleiten könnte. 

Ich bin jetzt auf zwei Wochen hier, den Ueberrest der Ferien bei der Familie meiner Frau zu verleben. In sechs Tagen ist diese Herrlichkeit aus, und ich muß mich wieder einspannen lassen. Ich wollte diese vierzehn Tage schlechterdings nichts thun, und es wird redlich gehalten. Aber nach diesem beschwerlichen Sommer war diese Erholung mir nöthig. 

Gar angenehm war mirs zu hören, daß meine Geschichte des dreißigjährigen Kriegs nicht unter Deiner Erwartung geblieben ist. Es galt bei dieser Arbeit mehr, meinen guten Namen nicht zu verscherzen, als ihn zu vermehren, und bei der Kürze der Zeit, bei der Ungelehrigkeit des Stoffs war diese Aufgabe wirklich schwer. Ich wünschte, daß Dein Urtheil, im Ganzen wenigstens, auch das Urtheil des Publicums seyn möchte, so hätte ich nichts weiter zu wünschen. Du erinnerst Dich, daß ich öfters eine Probe mit mir anstellen wollte, was ich in einer gegebenen kurzen Zeit zu leisten vermöge, da ich sonst immer so langsam arbeite. Eine solche Probe ist der dreißigjährige Krieg; und ich wundere mich nun selbst darüber, wie leidlich sie ausgefallen ist. Die Eilfertigkeit selbst war vielleicht vortheilhaft für den historischen Styl, den ich hier wirklich weniger fehlerhaft finde, als in der niederländischen Geschichte. Der Himmel gebe nun, daß Göschen Ursache habe, zufrieden zu seyn, da er gegen sechstausend Exemplare absetzen muß, um die Unkosten bezahlt zu haben. Mir ist es nur lieb, daß er mich einstweilen in seinem eigenen und fremden Namen versichert, daß meine Arbeit seine Hoffnung befriedigt habe. 

Glück zur Eröffnung Deiner neuen Laufbahn. Es wird ganz gewiß nur auf Dich ankommen, ein sehr wirksames und geachtetes Mitglied Deines Collegiums zu seyn, und diese Situation kann sehr viel Befriedigendes für Dich haben. Es kommt nur darauf an, daß Du mit Arbeit nicht überhäuft wirst, und davor mußt Du Dich gleich anfangs zu verwahren suchen. 

Der Aufsatz über Moses in der Thalia hat also Deinen Beifall? Im eilften Hefte kommen noch zwei andere, ungefähr von demselben Gehalt; auch die Vorlesung über Lykurg, die Du mit angehört hast, ist darunter1. Einige Scenen vom Menschenfeind erscheinen vielleicht im zwölften Stücke. – Die Belagerung von Rhodus ist von einem armen Studenten und ich habe sie bloß aufgenommen, um mich für einige Vorschüsse, die ich ihm gemacht, einigermaßen bezahlt zu machen. Er hat gar nichts, als was er von mir erhält, und so muß ich mir denn helfen, auf welche Art ich kann, daß mich diese Ausgaben nicht belästigen. 

Lebe wohl. Meine Frau wünscht so sehr die Musik über die Freude von Dir zu haben; vielleicht kannst Du sie dem Soldaten mitgeben, der den jungen Wurmb nach Dresden gebracht hat. Herzliche Grüße von ihr und mir an Minna und Dorchen. 

               Dein 

S.


1) Das elfte Heft der Thalia brachte die beiden Aufsätze „I. Etwas über die erste Menschengesellschaft nach dem Leitfaden der mosaischen Urkunde“ (S. 3-29. S. Schr. 9, 125-143), und „II. Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solon“ (S. 30-82. S. Schr. 9, 144-181), beide ohne Angabe eines Verfassers. Daß die Abhandlung über Lykurg nicht von Schiller, sondern von Nast war, habe ich in der Vorrede zum 9. Theile der S. Schr. nachgewiesen. Was dagegen vorgebracht ist, hat keine andere Überzeugung in mir verursacht. Körner freilich stand im guten Glauben, als er die Abhandlung in Schillers Werke aufnahm, während Schiller sie von seinen kleinen prosaischen Schriften ausschloß. Vgl. II, 211. 223. – „Die Belagerung der Johanniter in Rhodus durch die Türken“ (Thalia Heft 9 S. 128-160) ist ein Theil der Übersetzung der „Geschichte des Maltheserordens nach Vertot von M. N. bearbeitet.“ Jena 1793 (2, 202-272), meistens wörtlich gleichlautend. Der Übersetzer war Niethammer. – Die Scenen aus dem Menschenfeind erschienen schon im elften Hefte der Thalia S. 100-140. ­


Bemerkungen

1 Z. 25. Zu der Vorlesung über Lykurg vergl. Gödeke S. S. IX. S. IX.
2 Zu S. 109. Z. 28. Der Student ist wohl der schwedische Student Thomas Berling. Vgl. Gödeke, Geschäftsbrfe. S. 66.