Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Johann Kaspar Schiller. 

Jena den 29. Dec. [Mittwoch] 1790.

Liebster Vater, 

Heute am 29. Dec. bringt mir des Hofjägers Sohn aus Ludwigsburg den Brief von Ihnen, der vom 10. August datirt, also schon 4½ Monat unterwegs ist. Ich reise morgen früh mit meiner Lotte nach Erfurt ab, um 8 oder 10 Tage lang bei dem Coadjutor zu leben und habe daher kaum soviel Zeit Ihnen vom Empfang der Krankengeschichte meiner lieben Mutter Nachricht zu geben. Sobald ich solche werde durchlesen haben, will ich mich bemühen, sie auf eine schickliche Art ins Publikum zu bringen, wenn es Herrn Leibmedicus Conspruck nicht angenehmer ist, sie selbst in den Druck zu geben. Darüber will ich ihm mit ehester Post schreiben und ihm für den großen Dienst den er uns allen, durch seine meisterhafte Kur an der lieben Mama, geleistet hat und für seine uneigennützige freundschaftliche Gesinnung den wärmsten Dank abstatten. Wie herzlich, meine theuersten Eltern erfreute uns beide die gute Nachricht von der immer fortfahrenden Besserung unsrer liebsten Mutter. Aus voller Seele stimmen wir in den Dank ein, den sie dem gütigen Himmel dafür brachten und unser Herz gibt jetzt den schönsten Hofnungen Raum. Die Vorsehung, die hierinn unsre Erwartungen so herrlich schon übertraf, hat uns allen gewiß noch das fröhliche Wiedersehen aufbewahrt. 

Wir beide sind gesund und glücklich, wie wir es nur wünschen können. In unsern besten Stunden denken wir der lieben Unsrigen, und tragen uns mit allerley schönen Entwürfen für die Zukunft. Ich habe freilich viel Arbeit, aber es fehlt mir dazu nicht an freudigem Muth, und der Himmel segnet sie. Die Niederl. Geschichte kann so schnell nicht fortgesetzt werden, weil andre Arbeiten dazwischen kamen, aber soviel später sie erscheint, so viel reifer und vollendeter soll sie werden. Es ist mir überaus lieb, daß mein histor. Kalender in Schwaben sehr verbreitet wird. Eine Reputation in historischem Fach ist mir des Herzogs wegen nicht gleichgültig. Auch vor seine Ohren muß es endlich kommen, daß ich ihm im Auslande keine Schande mache, und wenn er dadurch zu einer bessern Gesinnung von mir wird vorbereitet seyn, dann ist es Zeit, daß ich mich selbst an ihn wende. Geschähe dieß früher, so möchte ein Brief von mir allzuwenig Eindruck bey ihm machen und der ganze Schritt wäre vergeblich. Von meinem Calender sind jetzt über 7000 Stück verkauft; seit vielen Jahren hat keine Schrift nur die Hälfte soviel Abgang gefunden.

Hier liebste Eltern u. Schwestern schicken wir Ihnen etwas zum Neujahr mit unserm herzlichsten Wunsch begleitet, daß dieses 91 Jahr ein Segensjahr für uns alle seyn möchte. Mein u. meiner Frauen Bild, das ich unsrer liebsten Mutter versprochen habe, ist nicht vergessen, nur hat es uns bißher an einem Mahler gefehlt, der es nur irgend leidlich hätte machen können, aber jetzt wird einer hier erwartet von dem man viel gutes sagt u. dann soll es gewiß zu Stande kommen. 

Leben Sie wohl u. glücklich theuerste Eltern u. Schwestern ewig geliebt 

Von Ihrem 

Fr.


Bemerkungen

1 Zu S. 125. Z. 18. Der Leibmedikus und Professor Consbruch war Schillers Lehrer gewesen. Schillers hier angekündigter Brief an ihn ist mir nicht bekannt, aber sicherlich geschrieben worden. Consbruchs Antwort darauf siehe Urlichs, Briefe an Schiller S. 58, wo sie freilich, offenbar fälschlich, in das Jahr 1788 gesetzt ist.
2 Zu S. 126. Z. 1. Ein gleichzeitiger Brief von Lotte ist bei Boas, Nachträge II. 459 abgedruckt.