Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Georg Göschen. 

Rudolstadt d. 21. May [Sonnabend] 91.

Ein fataler Zufall, der Ihnen vielleicht schon von Jena aus zu Ohren gekommen, ist Ursache liebster Freund, daß Sie auf Ihren letzten Brief noch keine Antwort von mir erhalten. Heute vor 14 Tagen überfiel mich ein fürchterlicher krampfhafter Zufall mit Erstickungen so daß ich nicht anders glaubte, als ob es mein letztes wäre. Doch erhohlte ich mich in einigen Stunden wieder und glaubte mich schon der Besserung nahe, als diese Engbrüstigkeit am folgenden Tage zurückkam, wiewohl mit weniger drohenden Symptomen. Auch diese gieng vorüber und einige Stunden Schlaf, die ich am zweyten Morgen genoß, erweckten mir Hofnung, aber den darauf folgenden Abend erneuerte sich der Anfall noch weit fürchterlicher als die vorigenmal, so daß ich von allen den meinigen schon Abschied nahm und jeden Augenblick hinzusinken glaubte. Starke wurde durch einen Eilboten aus Jena gerufen und alle nur mögliche Mittel angewendet. Aber auch von diesem Anfall erhohlte ich mich, ehe Stark noch ankam, und von dieser Zeit an kamen die Zufälle jeden Tag etwas schwächer, so daß ich nunmehr wieder außer dem Bette seyn kann. So fürchterlich diese Erstickungen auch für mich und für alle Anwesende waren so geben mir doch meine zwey Aertzte die tröstlichsten Versichrungen und schließen aus diesen Krämpfen selbst, daß meine Brustbeschwerden keinen Fehler in der Lunge zur Ursache haben, wie ich schon bey Ihrem Hierseyn fürchtete. Ich bin also wieder unter den Lebendigen, wenn mich etwa Briefe aus Jena todt gesagt haben sollten, und diese letzte Krankheit selbst hat mich über die Beschaffenheit meiner Lunge beruhigt, denn ungeachtet der gewaltsamsten Anstrengung, womit ich dem erstickenden Krampfe entgegenarbeiten mußte, und welche so heftig war, daß ich bey jedem Athemhohlen ein Gefäß in der Lunge zu zersprengen fürchtete, habe ich nie Blut ausgeworfen und starke Doses von Opium haben immer die Zufälle gelindert. Meine Furcht vor Lungensucht wird also ziemlich gehoben, und ich hoffe durch anhaltenden Gebrauch der Mittel, deren ich mich jetzt bediene, meine Gesundheit allmählig ganz wieder herzustellen. 

Aber unserm Calender sind solche Zufälle freilich nicht günstig, denn diese 14 Tage mußten natürlicherweise alle meine Geschäfte ruhen. Besorgen Sie aber weiter nichts, denn das schlimmste was begegnen könnte, wäre dieses daß der dißjährige Calender etwas kleiner in Volumine ausfiele, welchen Umstand das Publikum meiner Krankheit (die ich in einer kurzen Vorrede berühren werde) gern verzeyhen wird. Aber eben deßwegen wollte ich Ihnen rathen, liebster Freund, den dißjährigen Calender nicht so eng als den vorjährigen drucken zu laßen, da ohnehin viele Leser sich über den überaus engen Druck beklagen. Ueberlegen Sie dieses und wo möglich folgen Sie meinem Rath. 

Die Erklärungen zu den Portraits sollen Sie in einigen Wochen zuverlässig haben, wo auch mit dem Druck des Calenders hier angefangen werden kann. 

Ich habe auch in Ueberlegung genommen, ob ich den Carlos bei der neuen Ausgabe, die Sie davon machen wollen nicht gleich in einer neuen verbesserten Gestalt liefern soll und ich glaube daß dieß gehen wird, wenn Sie ihn nicht früher als etwa auf Neujahr im Mscrpt haben müßen. Er würde etwa um den fünften vielleicht gar d vierten Theil kleiner ausfallen, und was Sie dabey ersparen könnte etwa auf einige Kupfer mehr verwandt werden. 

H. Prof. Heydenreich sagen Sie recht sehr viel verbindliches von mir und versichern Sie ihn nochmals, daß mir seine Beyträge zur Thalia sehr willkommen seyn werden. Wird er mit 8 Rthlr. für den Bogen wohl zufrieden seyn? Dieß ist was ich ihm geben kann und mit größtem Vergnügen gebe. 

Aus der Rechnung, die Sie mir in Ihrem letzten Briefe mitschickten, habe ich neuerdings ersehen, liebster Freund, wie große Verbindlichkeit ich Ihnen schuldig bin, und wie sehr Ihre Güte mir zu Pflicht macht, was mich mein eigenes Herz auch ohne jeden andern Antrieb lehren würde. Rechnen Sie also darauf, theurester Freund, daß ich alles thun werde was in meinem Vermögen steht, mein Glück mit Ihrem Beßten immer zu vereinigen, und mir beides als unzertrennlich zu denken. 

Sie haben mir bey Ihrem Hierseyn erlaubt, daß ich Sie nach d. Zahltag erinnern dürfe, mir 30 Ld’ors zu übermachen. Können Sie dieß jetzt, so verbinden Sie mich sehr. Ich bliebe etwa noch 12 oder 14 Tage hier, daß Sie mir das Geld oder die Anweisung also directe nach Rudolstadt schicken können. 

Der E-Prinz, der mir aufgetragen, Ihnen recht viel Empfehlungen zu sagen, hat sich über den Tod des jungen Grot sehr betrübt. Mein Schwager und meine Schwägerinn empfehlen sich Ihrem Andenken und meine Lotte sagt Ihnen die herzlichsten Grüße. Alles freut sich, daß es Ihnen in Rudolstadt Nicht misfallen hat, und sie können es mit nichts besser beweisen, als wenn Sie Ihre liebe Jette recht bald hieher bringen.

Für heut muß ich aufhören. Leben Sie recht wohl theurer Freund, und der Himmel helfe Ihnen glücklich durch die Meße. Ewig der Ihrige 

Schiller.


Bemerkungen

Empfangsvermerk: Empfangen d. 27. May.
1 Zu S. 145. Z. 21. Von Heydenreich, Professor der Philosophie in Leipzig, findet sich in der Neuen Thalia Heft 2 ein Gedicht: „Der erste Mai“, nach Buchananus.
2 Zu S. 146. Z. 6. Über den jungen Grot weiß ich nichts Näheres. Cohn zweifelte, ob Gros oder Grot zu lesen. Ich glaube, daß Grot zu lesen ist.