Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner. 

Jena, 13. December [Dienstag] 1791.

Ich muß Dir unverzüglich schreiben, ich muß Dir meine Freude mittheilen, lieber Körner. Das, wonach ich mich schon so lange ich lebe aufs Feurigste gesehnt habe, wird jetzt erfüllt. Ich bin auf lange, vielleicht auf immer aller Sorgen los; ich habe die längst gewünschte Unabhängigkeit des Geistes. Heute erhalte ich Briefe aus Kopenhagen vom Prinzen von Augustenburg und vom Grafen von Schimmelmann, die mir auf drei Jahre jährlich tausend Thaler zum Geschenk anbieten, mit völliger Freiheit zu bleiben wo ich bin, bloß um mich von meiner Krankheit völlig zu erholen. Aber die Delicatesse und Feinheit, mit der der Prinz mir dieses Anerbieten macht, könnte mich noch mehr rühren, als das Anerbieten selbst. Ich werde Dir die Briefe in acht oder zehn Tagen schicken. Sie wünschen zwar, daß ich in Kopenhagen leben möchte, und der Prinz schreibt, daß, wenn ich dann angestellt seyn wollte, man dazu Rath schaffen würde, – aber dies geht sobald nicht, da meine Verbindlichkeit gegen den Herzog von Weimar noch zu neu ist, und noch vieler anderen Ursachen wegen. Aber hinreisen werde ich doch, wenn es auch erst in einem oder zwei Jahren geschieht.1

Wie mir jetzt zu Muthe ist, kannst Du denken. Ich habe die nahe Aussicht, mich ganz zu arrangiren, meine Schulden zu tilgen und, unabhängig von Nahrungssorgen, ganz den Entwürfen meines Geistes zu leben. Ich habe endlich einmal Muße zu lernen und zu sammeln, und für die Ewigkeit zu arbeiten. Binnen drei Jahren kann ich dann entweder in Dänemark eine Versorgung finden, oder es fällt mit Mainz etwas vor – und dann bin ich auf zeitlebens gedeckt. 

Aber was detaillire ich Dir dieses alles? Sage Dir selbst, wie glücklich mein Schicksal ist. Ich kann Dir für heute nichts mehr sagen. – Deinen Brief, den ich heute erhielt, beantworte ich das nächstemal. Tausend Grüße an Minna und Dorchen, von mir und meiner Lotte.

               Ewig Dein 

S.


1) Das Nähere über dies Geschenk aus Kopenhagen berichten die Biographen: (Karoline Wolzogen:) Schillers Leben. Stuttg. 1851. S. 232 ff. Palleske, Schillers Leben. Berl. 1872. 2, 233 ff.


Bemerkungen

1 Zu S. 174. Z. 13. Über die hochherzige Gabe ist in den Schillerbiographien das Nähere enthalten. Der Brief (es ist nur einer) vom Prinzen und Grafen ist vom 27. Nov. 1791 datiert. Er ist nach dem Konzept abgedruckt in Schillers Brfw. mit dem Herzog Friedrich Christian etc. von F. Max Müller, Berlin 1875 S. 16, und zuerst veröffentlicht in S. 16 ff. Wolzogen, Schs. Leben 1830. Vgl. ferner Brief Reinholds an Baggesen vom 14. (?) Dezember 1791. Aus Jens Baggesens Brfw. mit Reinhold u. Jacobi I. 114. 
2 Zu Z. 21. Schiller hat den Brief nicht an Körner geschickt. Am 24. Januar 1831 schrieb Körner (das Datum 24. Juni muß falsch sein, da Körner am 13. Mai 1831 gestorben war) an Karoline von Wolzogen (Nachlaß II. 352): „Für mich waren einige Briefe neu, besonders der von dem Prinzen von Holstein und dem Minister Schimmelmann.“ Eine Urenkelin des Herzogs Friedrich Christian von Sonderburg-Augustenburg ist die jetzige deutsche Kaiserin.
Aus Z. führe ich die schönen Worte an: „Unsere Freude kannst Du Dir denken. – Eine traurige Empfindung mischt sich bei mir in die Freude über Dein Glück – daß wir in einem Zeitalter und unter Menschen leben, wo eine solche Handlung angestaunt wird, die doch eigentlich so natürlich ist.“