Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Jena den 3. Juli [Mittwoch] 93. 

Nunmehr ist es durch die Aussage des Accoucheurs entschieden, daß meine Frau sich schon im siebenten Monat der Schwangerschaft befindet und also gegen Ausgang Septbers spätestens ihre Entbindung zu erwarten hat. Ich bitte Dich jetzt um alles, lass mich die Freude, die auf mich wartet, nicht mit dem Verlust einer andern büßen, auf die ich schon so sicher gerechnet hatte, und siehe zu, daß Du gegen die Mitte dieses Monats die Reise zu uns antreten kannst. Ich muß jetzt schlechterdings in der ersten Woche des August fort, damit meine Frau einen ganzen Monat wenigstens vor ihrer Entbindung in Ruhe bleiben kann; und in der ersten Zeit unsrer Ankunft in Schwaben ist noch an keine Ruhe zu denken. Auch müssen wir uns dort erst einrichten, Anstalten treffen u. dgl., wobey leicht 4 Wochen hingegen. Kurz, Du siehst, daß keine Zeit zu verlieren ist; und nun hoffe ich, Du wirst Dein Möglichstes thun. 

Ich kann Dir übrigens nicht genug sagen, wie wohl mir jetzt ums Herz ist, daß ich erstlich von der Unruhe befreyt bin, die mir die unerklärbaren und bedenklichen Zufälle meiner Frau schon seit 3 Monaten verursacht haben, und nun auch die Vollendung häußlicher Glückseligkeit von jetzt an entgegensehen kann. Ich brauchte oft den ganzen Beystand der Philosophie, um bey dem Anblick meiner leidenden Lotte, und beym Gefühl meiner eigenen verfallenden Gesundheit frischen Muth zu behalten. Jetzt bin ich die Hälfte meines Leidens los, und aus der andern, die mich selbst betrifft, mache ich mir jetzt auch viel weniger. Es ist mir, als wenn ich die auslöschende Fackel meines Lebens in einem andern wieder angezündet sähe, und ich bin ausgesöhnt mit dem Schicksal.

Auch verspricht mir diese große Veränderung eine vortheilhafte Krise für die Gesundheit meiner Frau, und der Arzt versichert mir, daß er die beste Wirkung davon hoffe. Auf mich selbst wird die Verbesserung ihrer Gesundheit, und die freudenvolle Epoche, die mich erwartet, gewiß einen guten Einfluß haben. Geht nun auch das Wochenbett glücklich vorüber, und will mir der Himmel Mutter und Kind erhalten, so fehlt mir nichts wesentliches mehr zu meiner Zufriedenheit. Lebe wohl und erfreue mich bald mit einer Antwort, wie ich sie wünsche. 

               Dein 

S.


Bemerkungen

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1 Zu S. 324. Z. 25. Zum größten Bedauern beider Freunde konnte Körner die für den August geplante Reise nicht verschieben, und so mußte die Zusammenkunft vertagt werden. Im nächsten Jahre kam sie, wenn auch nur auf ein paar Tage, in Weißenfels zu stande.