Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Georg Göschen

Jena den 5. Juli [Freitag] 93. 

Die 3 Comödien habe ich mit Vergnügen durchlesen, liebe Freund, und ich zweifle nicht, daß Sie sie werden brauchen können. Im Dialog ist sehr viel Leben und Leichtigkeit, die Handlung hat Interesse, und auch die Karaktere haben eine ganz leidliche Zeichnung. Von dieser Feder wäre noch etwas recht gutes zu erwarten, wenn sie sich die Mühe nicht reuen läßt, und nach klaßischen Mustern sich bildet. Ich will, wenn Sie glauben, daß es die Verfaßerin nicht verdriessen werde, ehe ich Ihnen die Stücke zurücksende, einige heilsame Schnitte, die aber kein Blut geben sollen, darinn machen; und ich zweifle nicht, daß jedes sehr viel gewinnen wird, wenn ich ihm etwas von seinem Ueberfluß nehme. Ich will nicht das Fett, bloß das Waßer abschöpfen. In 14 Tagen sollen Sie alle 3 zurück erhalten. 

Schreiben Sie mir doch, ob Sie meine Schrift: Ueber Anmuth und Würde bald neu auflegen wollen, so will ich bey Zeiten darauf denken, ihr einige wichtige Zusätze zu geben. Hofrath Schütz will sie in ciceronianisches Latein übersetzen. Wenn es dazu kommt, so wünschte ich, Sie verlegten seine Arbeit. Es ist etwas vortrefliches von seiner Feder zu erwarten, und außer Deutschland würde eine lateinische Uebersetzung sich gewiß bald vergreifen. Zugleich bitte ich Sie, etwa in einer oder zwey gelehrten Zeitungen oder auch in einer politischen von der Existenz dieser Schrift eine kurze Anzeige zu thun, mit Erwähnung des Coadjutors. Es ist schicklich, daß ich die Ehre, die ich ihm durch die Zuschrift des Buchs erweisen wollte, etwas öffentlich mache. 

Wenn Sie mir wieder schrieben, so seyen Sie doch so gut und schicken mir Quintilians Institutiones Orationis, wo möglich in einer schönen Quartausgabe, die davon existirt. 

Künftig Monat mache ich eine Reise nach Schwaben, wo ich vielleicht den ganzen Winter zubringen werde. Von da aus will ich Sie zu Gevatter bitten, denn ich reise bloß dahin, um einem Sohn oder Mädchen das auf d. Weg ist ein beßres Vaterland zu verschaffen, als Thüringen ist.

Leben Sie wohl lieber Freund, und laße mich bald was von sich und Ihrer Jette die wir beide schönstens begrüßen, hören. Ganz der 

               Ihrige 

Schiller.


Bemerkungen

Empfangsvermerk: Schiller empf. d. 7. Jul.
1 S. 325. Z. 30. liebe (sic).
2 Zu S. 325. Z. 30. Zu den Comödien vgl. zu Nr. 699.
3 Zu S. 326. Z. 12. Die neue Auflage kam zu stande. 
4 Zu Z. 14. Vgl. Nr. 663. 
5 Zu Z. 24. Vgl. Hoffmeister, Schs. Leben II. 288. „Zufällig war ihm damals Quintilian in die Hände gefallen, oder hatte er ihn sich absichtlich zu verschaffen gewußt. Er studierte, durch das Vaterinteresse gespornt, hauptsächlich des trefflichen Römers Erziehungsgrundsätze. Und wie er Alles auf’s Lebendigste ergriff, so sprach er mit Conz mehrmalen mit Begeisterung davon und versicherte, er werde seinen Sohn nach den Maximen des Quintilian erziehen. Er hatte auch vor, des Römers Grundsätze der Erziehung zum Gegenstand einer Abhandlung zu machen.“ Vgl. Conz in der Zeitung für die elegante Welt 1823. Nr. 7.