Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Heilbronn den 27. August [Dienstag] 93. 

Ich schreibe Dir sehr spät, lieber K., weil die Ermüdung von der Reise, übles Befinden und Zerstreuungen mich seither gar nicht zum Schreiben kommen ließen. Wir sind am 8ten des Monats nach einer zwar beschwerlichen, aber von allen üblen Zufällen freien, Reise glücklich hier angelangt. Meine Frau hat die Strapatzen sehr gut ausgehalten, und befindet sich sehr wol. Mit mir ist es immer das alte. Die Meinigen fand ich wohl auf und wie Du denken kannst, sehr vergnügt über unsere Wiedervereinigung. Mein Vater ist in seinem 70gsten Jahre das Bild eines gesunden Alters; und wer sein Alter nicht weiß, wird ihm nicht 60 Jahre geben. Er ist in ewiger Thätigkeit und diese ist es was ihn gesund und jugendlich erhält. Meine Mutter ist auch von ihren Zufällen frey geblieben und wird wahrscheinlich ein hohes Alter erreichen. Meine jüngste Schwester ist ein hübsches Mädchen geworden, und zeigt viel Talent. Die zweyte Schwester versteht die Wirthschaft sehr gut, und führt jetzt in Heilbronn meine Oeconomie. 

Es ist hier theurer zu leben als in Jena. Lebensmittel, Wohnung, Holz sind kostbare Artikel. Der hohe Preiß der ersten aus den Gasthöfen nöthigte mich, sogleich auf eine eigene Menage zu denken, und die Erfodernisse dazu haben mich freilich etwas beträchtliches gekostet. Aber demohngeachtet ist der Unterschied so beträchtlich, daß die ganze Auslage einer wirthschaftl. Einrichtung mit demjenigen bezahlt seyn wird, was ich durch eine eigene Oeconomie in 3 Monaten ersparen kann.

Ich war in Ludwigsburg und auf der Solitude ohne bey dem Schwabenkönig anzufragen. Dieser hat übrigens meinem Vater doch auf sein Ansuchen erlaubt, mich etlichemal in Heilbronn zu besuchen. Stuttgardt habe ich noch nicht besucht, und auch noch wenige meiner alten academischen Bekannten gesehen. In Gmelin fand ich einen sehr fidelen Patron und einen verständigen Arzt. Für den Magnetismus ist er noch sehr eingenommen, übt ihn aber selten oder gar nicht mehr aus. So viel ich aus den wenigen Gesprächen urtheilen kann, in die ich mich mit ihm über diese Materie einließ, so wird mein Glaube daran eher ab-, als zunehmen. Gmelin ist zum wenigsten der Mann nicht, der über Selbsttäuschung hinweg wäre, und in seinen Anpreisungen des Mangnetism ist mir zu viel Neigung für das Wunderbare. Hier in Heilbronn zweifeln viele sehr vernünftige Leute, die noch dazu Gmelins Freunde sind. Aber ich will und kann noch nicht von dieser Materie urtheilen. 

Hier habe ich noch nicht viele Bekanntschaften, weil ich mich meistens zu Hause hielt. Die Menschen sind hier freier, als in einer Reichsstadt zu erwarten war; aber wissenschaftliches oder Kunstinteresse findet sich blutwenig. Einige litterarische Nahrung verschafft mir eine kleine Lesebibliothek und eine schwach vegetirende Buchhandlung. Der Nekarwein schmekt mir desto besser, und das ist etwas, was ich auch Dir gönnen möchte. So enorm theuer dieses Jahr alles, und besonders der Wein ist, so trinke ich doch für dasselbe Geld noch einmal soviel Wein, als in Thüringen, und zwar vortrefflich. Meine Frau grüßt Dich, Minna und Dorchen herzlich und wird bald schreiben. Lebt alle glüklich und vergnügt und denkt unserer mit Liebe. 

               Dein 

S. 

Deinen Brief habe ich von Jena erhalten. Eine besondere adresse an mich ist nicht nöthig.


Bemerkungen

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1 Zu S. 351. Z. 5. Die Reise hatte also vom 1.-8. August gewährt.
2 Zu S. 352. Z. 1. Vgl. zu Nr. 673. 
3 Zu Z. 26. vom 9. August.