Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wilhelm und Christophine Reinwald

Jena den 30. May [Freitag] 94. 

Liebster Bruder und Schwester, 

Wir haben seit unserer Ankunft in Jena, die sehr glücklich gewesen ist, soviel Arbeit und Zerstreuungen vorgefunden, daß wir erst seit ein paar Tagen wieder in Ordnung sind. Dieß, besonders die Arrangements in unserm neuen Quartier, ist Schuld, daß wir euch nicht früher geschrieben haben. Noch einmal den herzlichsten Dank meine Lieben für eure freundliche Aufnahme und für alles Gutes und Liebes was ihr uns erwiesen habt. Die 3 Tage die wir zusammen lebten sind mir eine recht angenehme Erinnerung, und da ich nun mit eurem schönen Berge bekannt worden bin, so macht es mir um so mehr Freude, euch in Gedanken auf denselben zu begleiten. Schon habe ich den guten Eltern davon geschrieben, und den lieben Papa sehr neugierig darauf gemacht. 

Von diesem lege ich euch einen Brief bey, worinn er den Auftrag wegen der Gold- und Silberfasanen beantwortet. Sey so gut, lieber Bruder, und gieb Deinem Herzog Nachricht davon, und schreibe dann an den Papa auf d: Solitüde ein paar Zeilen, wie er sich zu verhalten hat.

Das Gesangbuch habe ich bereits an H. Prof. Paulus zur Recension befördert, und er hat mir sein Wort gegeben, dieses Geschäft zu übernehmen. In einigen Wochen hoffe ich Dir einige Schriften schicken zu können, und auch mein Portrait von Graff und Miller, welches ganz vortreflich gestochen ist. Deine Frau ist so gut, und schickt uns das Portrait vom Papa, sobald sie es copiert hat. 

Meine Frau läßt sich entschuldigen, daß sie heute nicht mit schreibt. Meine Schwiegermutter ist schon seit 10 Tagen bey uns, und der kleine Kerl setzt alles in Arbeit. Sie grüßt euch beide aufs herzlichste, und auch meine Schwiegermutter sagt euch viele Empfehlungen. Der Goldsohn küßt Oncle und Tante schönstens die Hände. Wir sind alle erträglich wohl, und dem Kleinen scheint die Jenaische Luft vortreflich zu bekommen. 

Lebt beide recht herzlich wohl, und empfehlt mich allen guten und hohen Bekannten in Meinungen aufs beßte. Ewig euer treuer

Bruder 

FrSchiller. 

[Adresse:] 
                     An 
Herrn Rath und Bibliothecar Rheinwald 
                            in 
fr.                             Meinungen


Bemerkungen

1 Zu S. 447. Z. 23. Reinwalds Berggarten. 
2 Z. 28. Der Brief des Vaters fehlt.
3 Zu S. 448. Reinwald hatte 1794 mit dem Hofprediger Pfranger ein „Neues Sachsen-Coburg-Meiningisches Gesangbuch“ herausgeben, das Prof. Paulus auf Schs. Vermittlung in der Allgem. Litteraturzeitung (14. Okt. 1794) recensierte.
4 Zu Z. 8. Schiller hatte das Bild seines Vaters von Frau v. Simanowitz (vgl. Nr. 689) der Schwester in Meiningen zurückgelassen, die es für sich kopieren wollte. Das Original bittet Schiller hier baldmöglichst ihm nach Jena zu schicken. 
5 Zu Z. 13. Frau v. Lengefeld hatte schon am 25. April an Schiller geschrieben, daß sobald sie seine und der Seinigen Ankunft in Jena erfahre, sie zu ihnen kommen werde. (Fielitz, Sch. u. L. Nr. 371.)