Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Jena, den 12. Juni [Donnerstag] 94.

Ich bin seit meiner Zurückkunft zwar an wirklichen Ausarbeitungen ziemlich unfruchtbar, aber an Projecten desto ergiebiger gewesen. Das Bleibende und Solidere unter diesen wird Dir die Beilage1 zeigen. Es ist ein Entwurf, mit dem ich mich schon ins dritte Jahr trage, und der endlich einen unternehmenden Buchhändler zur Ausführung gefunden hat. Humboldt ist sehr dafür eingenommen, und auf Dich ist sehr gerechnet. Wenn es uns gelingt, wie ich mir gewisse Hoffnung mache, daß wir eine Auswahl der besten humanistischen Schriftsteller zu diesem Journale vereinigen, so kann es an einem glücklichen Erfolg bei dem Publicum gar nicht fehlen. Hier in loco sind unserer 4: Fichte, Humboldt, Woltmann und ich. An Goethe, Kant, Garve, Engel, Jacobi, Gotter, Herder, Klopstock, Voß, Maimon, Baggesen, Reinhold, Blankenburg, v. Thümmel, Lichtenberg, Matthisson, Salis und einige andere ist theils schon geschrieben worden, theils wird es noch geschehen. Dich haben wir zu einem beurtheilenden Mitglied bestimmt, wobei zwar einige Mühe, dabei aber der Vortheil ist, daß die eigenen Arbeiten besser bezahlt werden. Ein beurtheilendes Mitglied erhält für den Bogen sechs Louisd’or Honorar, und um den Fleiß aufzumuntern, wird jeder siebente Bogen doppelt bezahlt. Mir als Redacteur ist von dem Verleger außer dem Honorar noch eine fixe Summe bestimmt.

Unser Journal soll ein Epoche machendes Werk seyn, und alles, was Geschmack haben will, muß uns kaufen und lesen. Ich bin vor der Hand mit Stoff für die nächsten 2 Jahre herrlich versehen2. Fichte ist sehr fruchtbar, und Woltmann ein sehr brauchbares Subject für die Geschichte. Wozu wir Dich anstellen wollen, darüber ist zwischen Humboldt und mir schon manche Stunde deliberirt worden. Noch sind wir aber nicht einig darüber, und es wird wohl bis zu Deiner Ankunft müssen ausgesetzt bleiben. 

Ich hoffe jetzt um so mehr, daß Ihr Euch zu der Hieherreise entschließen werdet, da Humboldts noch hier anzutreffen sind. Humboldt ist ein vortrefflicher dritter Mann in unserem Zirkel, wie Du selbst aus Erfahrung wissen wirst, und er liebt und schätzt Dich unbegrenzt. Fichte ist eine äußerst interessante Bekanntschaft, aber mehr durch seinen Gehalt, als durch seine Form. Von ihm hat die Philosophie noch große Dinge zu erwarten. 

Reinecke Fuchs von Goethe hast Du ohne Zweifel schon in Händen. Mir behagt er ungemein, besonders um des homerischen Tones willen, der ohne Affectation darin beobachtet ist. Sonst ist mir aus dieser ganzen Messe noch kein Product bekannt, das Aufmerksamkeit verdiente. 

Alle meine an den Prinzen von Augustenburg abgeschickten Briefe sind in Feuer aufgegangen, bei dem großen Brande, der in Kopenhagen das Palais verzehrt hat. Ein Glück für mich, daß ich Copien davon habe. 

Meine Gesundheit ist seit meiner Zurückkunft ziemlich erträglich gewesen. Ueberhaupt bin ich noch nie so lange von heftigen Anfällen frei gewesen, als jetzt. Ich gehe auch öfters aus, weil mich die Engbrüstigkeit nicht mehr so arg incommodirt, und an meinen übrigen Kräften spüre ich keine Verminderung. Auch Lottchen ist größtentheils wohl, und der Kleine, der nun schon 4 Zähne hat, befindet sich vortrefflich. Schon fängt er an Versuche zum Plaudern zu machen, und er hat schon so viele Gewandtheit in seinen Bewegungen, daß mich alles versichert, er werde in 2 Monaten im Korb gehen können; für sein Alter ist das viel, da er erst 9 Monate alt ist. 

Der Millersche Kupferstich von mir ist fertig, und mit nächster fahrender Post will ich Dir einen Abdruck übersenden. Zur völligen Aehnlichkeit fehlt freilich noch viel, doch ist ziemlich viel davon erreicht, und der Stich ist sehr schön. 

               Dein 

Sch. 

Den Kupferstich lege ich gleich heute bei.


1) Die Beilage, die hier fehlt, war die Einladung zur Mitarbeit an den Horen, gedruckt. S. Schr. 10, 232 ff. (vom 13. Juni 1794).
2) So glaubte Schiller damals. Sehr bald begann die Manuscriptnoth, nicht des Überflusses, sondern Mangels; vgl. 3, 229.


Bemerkungen

1 Zu S. 452. Z. 16. v. u. Die Beilage war der Prospekt der Horen. Vgl. Nr. 456. 
2 Z. 1. v. u. Diese Bedingungen für die beurteilenden Mitglieder stimmen nicht zu dem Kontrakt (vgl. Nr. 710), an den sich Schiller wohl überhaupt nicht eng gebunden hat.