Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Jena, 23. Februar [Montag] 1795.

Vor dem Grab in der Pfütze laß Dir nicht bange seyn. Dein Werk liegt wohlbehalten bei mir im Hafen; und hätte ich mich an die Gefahren erinnert, denen Pakete an Dich dieser Tage ausgesetzt waren, so würde ich Dich durch ein Paar Zeilen darüber beruhigt haben. Ich fand bisher keinen freien Augenblick, Dir meine Ideen darüber mitzutheilen, weil ich gerade bei einer schwierigen Materie in meinen Briefen gewesen, von der ich mich nicht gern trennen wollte, bis sie überwunden wäre. Da der Aufsatz doch unmöglich mehr in das 3te Stück hätte kommen können, und zu dem 4ten noch Zeit ist, so ließ ich ihn um so eher ein Paar Tage warten. Gegenwärtig ist er in Herders Händen, und sobald ich ihn zurück habe, erhältst Du ihn mit meinen Anmerkungen. 

Deine Musik habe ich gestern an Goethe abgeschickt, nebst Deinem Auftrag. Wir haben kein brauchbares Clavier, und auch keine geschickte Hand im Hause, sonst würde ich sie schon haben spielen hören. Meine Frau, die ein Mandoline hat, soll sie spielen lernen. 

Laß uns ja darauf denken, wie wir diesen Sommer in pleno zusammen kommen wollen. Ich für meinen Theil bin nirgends zu brauchen, als in meinem eigenen Hause; daher hoffe ich, daß ihr Euch entschließen werdet, bis hieher zu kommen. Wir können Euch, Humboldt und ich, ganz gut logiren; denn ich logire von Ostern an bei Grießbachs, in einem der besten Häuser der Stadt, und auch Humboldt kann, wenn es bei uns für Euch alle zu enge wäre, etwas abgeben. Du hättest hier auch noch Fichten, Goethen und Meyer. Die Frauen wollten wir wenigstens durch die schöne Gegenden schadlos zu halten suchen, wenn sie sich bei unseren gelehrten Gesprächen ennuyirten. Wir brächten in Weimar einige Tage bei Goethe und Herder vergnügt hin. Der erste hat allerlei Interessantes zu zeigen, und Ihr würdet ihn sehr thätig finden, Euch etwas Angenehmes zu erweisen. Kurz, überlegt es mit einander ernstlich. 

Die neuen Horen werden nächsten Montag gewiß an Dich geschickt werden können. 

Zu dem IIIten Stücke hat Herder einen Aufsatz geschickt, der in seiner Manier gar nicht ohne Interesse ist. Er handelt vom eigenen Schicksal. Du kannst Dir wohl einbilden, daß von den unbestimmten Begriffen der Menschen über Glück und Unglück, Fatum u. dgl. darin die Rede ist. 

Bitte doch Schlegeln, daß er mir die noch fehlenden Blätter zum Dante, wovon Du einmal schriebst, bald schicken möchte. Seinem Bruder werde ich bald selbst schreiben, und ihn bitten, uns noch viele Beiträge zu schicken. 

Daß Funk meine Indiscretion nicht übel genommen, ist mir sehr lieb gewesen zu hören. Es ist mir doch um der Horen willen leid, daß er nicht, wie es hieß, zurückkommt. 

Huber hat mir kürzlich geschrieben, und sich sehr angelegentlich nach Euch erkundigt. Er scheint ziemlich zufrieden mit seinem häuslichen Loos. Vor einiger Zeit fragte er bei mir an, ob er sich nicht in Jena niederlassen könne, weil es in der Schweiz für ihn zu theuer leben sei. Er hat sich aber diesen Einfall wieder ausreden lassen, und bleibt jetzt vor der Hand noch in Neufchatel. Er möchte gern Kant studiren, um – ihn in Frankreich bekannt zu machen. Einen Aufsatz von demselben über Theorie und Praxis (in der Berliner Monatsschrift) hat er, wie er schreibt, wirklich übersetzt. 

               Dein 

S.


Bemerkungen

Der Brief traf am 21. Febr. bei Sch. ein. Vgl. Nr. 817.
S. 135. Z. 33. Nach MDM. ist einzuschalten: Lebe wohl. Herzliche Grüße von uns allen an Dich und die Frauen.
1 Zu S. 134. Z. 8. Körner fürchtete, daß sein Aufsatz über Charakterdarstellung in der Musik mit Schs. Bemerkungen bei dem „großen Wasser“ verloren gegangen und in irgend einer Pfütze läge. 
2 Zu Z. 21. Körner hatte ein Lied aus Goethes Wilhelm Meister komponirt. (Kennst du das Land.) Vgl. X. 
3 Zu Z. 26. Aus der Zusammenkunft wurde 1795 nichts.
4 Zu S. 135. Z. 20. Sch. hatte Funks Namen eigenmächtig unter die Mitarbeiter der Horen gesetzt. Körner hatte nun in X. gemeldet, daß Funk sich sehr geschmeichelt fühlte, daß er aber vorläufig bei der Armee bleibe und wenig arbeiten könne. 
5 Zu Z. 23. Vgl. zu Nr. 814. 
6 Zu Z. 25. Vgl. Nr. 766.