Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Friedrich Jacobi

Jena den 9. Jul. [Donnerstag] 95.

Um Sie, vortreflicher Freund, über das Schicksal Ihres Mscrpts keinen Augenblick ungewiß zu lassen melde ich Ihnen nur in 2 Worten die glückliche Ankunft deßelben und meine herzliche Freude über seinen Innhalt. Ob ich gleich in einigen Punkten, die Sie darinn berühren, meinen eigenen Glauben habe, so bin ich doch in allen übrigen Stücken von der Wahrheit deßen, was Sie bescheiden nur „Ihre Meinung“ nennen durchdrungen, und die Liberalität, mit der Sie über die Schonung menschlicher Vorstellungsarten sprechen, athmet den Geist der ächtesten und humansten Philosophie. Gar zu gerne begegnet es dem Analysten das Leben von dem Körper und den Geist von der todten Hülle zu trennen, und was oft bloß Formel und Buchstabe ist mit einer Rigidität und Unduldsamkeit, als wenn es der lebendige Geist wäre, zu vertheidigen. Die Geständnisse, welche Sie bey dieser Gelegenheit ablegen sollten billig beyde Partheyen, die ReligionsEiferer und die Religionshasser schamroth machen und zur Verträglichkeit führen. 

Ich freue mich Ihren Aufsatz mit mehrerer Muße gedruckt zu durchlesen, denn da ich ihn heute noch nach Tübingen absenden muss, so konnte ich mir noch nicht die gehörige Zeit dazu nehmen. Der Freyheit gemäß, die Sie mir bewilligten, habe ich auf einen andern Titel gedacht, in welchem etwas von dem Innhalt vorkäme; ich fand aber keinen, der mir schicklich genug schien, und habe daher den Ihrigen beybehalten, welcher Sie auch bey künftigen Fortsetzungen desto weniger genieren wird.

Mit rechtem Verlangen erwarte ich die von Ihnen zunächst versprochene Fortsetzung. 

Humboldt ist bereits seit 9 Tagen abgereißt. Ich werde ihm aber Ihren Brief nach Berlin nachsenden. 

Schenken Sie ein freundliches Andenken Ihrem ewig ergebenen 

F. Schiller.


Bemerkungen

Empfangsvermerk: e. zu Eutin d. 18ten.
1 Zu S. 207. Z. 4. Vgl. Nr. 870. u. 882. Der Aufsatz erschien als einziger Beitrags Jacobis zu den Horen im 8. Stück unter der Überschrift: Zufällige Ergießungen eines einsamen Denkers in Briefen an vertraute Freunde. 
2 Zu Z. 21. Ein Begleitschreiben zu dieser Sendung an Cotta ist nicht vorhanden.