Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Kaspar Schiller

Jena d 21. März [Montag] 96.

So tröstlich es mir war, liebster Vater, von Ihrer zunehmenden Besserung zu hören, so herzlich betrüben mich die Nachrichten von dem Zustand meiner guten Nanette. Ach vielleicht haben wir sie schon verloren, indem ich schriebe, ich gestehe, daß ich das schlimmste fürchte, weil sie schon vor dem Anfall dieser Krankheit nicht ganz gesund gewesen ist. Wie schmerzt es mich, so entfernt von Ihnen zu leben und so ganz außer Stande zu seyn, Ihre Beschwerden und Leiden mit Ihnen, mit der lieben Mama und den armen Schwestern zu theilen, und soviel möglich zu erleichtern. Hier kann ich nichts, als wünschen u. bitten, daß der Himmel alles noch gut lenken möge. Wie dauert mich unsre gute liebe Mutter, auf die alles Leiden so zusammenstürmen muß! Aber was für eine Wohlthat von Gott ist es auch wieder, daß die gute liebe Mutter noch Stärke des Körpers genug hat, um unter diesen Umständen nicht zu erliegen, und Ihnen noch soviel Beystand leisten zu können. Wer hätte es vor 6 und 7 Jahren gedacht, daß sie, die so ganz hingefallen u. erschöpft war, Ihnen allen jetzt noch zur Stütze und Pflege dienen würde. In solchen Zügen erkenne ich eine gute Vorsicht, die über uns waltet, und mein Herz ist aufs innigste davon gerührt.

Wie ängstlich sehe ich Ihrem nächsten Brief entgegen liebster Vater, der mir von Nanettens Zustand wahrscheinlich die entscheidende Nachricht bringt. Wie werde ich es tragen, eine so liebe und so hoffnungsvolle Schwester zu verlieren, zu deren künftigen Aussichten ich gerade jetzt einige Vorkehrungen treffen wollte, die ihr Glück vielleicht gründeten.

Ich wiederhohle meine Bitte nochmals auf das nachdrücklichste liebster Vater: Thun Sie alles, was Sie können, zu Wiederherstellung Ihrer eigenen Gesundheit und zu Stärkung unserer guten Mutter und Schwestern. Schenket uns der Himmel die Freude, daß es sich mit Nanette wieder bessert, so verändern Sie, sobald es nur die Kräfte der Kranken und Ihre eigenen zulassen, den Wohnort, und besuchen auf eine Zeitlang mit der ganzen Familie ein gesundes Bad, sowohl um sich zu zerstreuen, als sich körperlich zu stärken. Der Himmel erhalte Sie, und mache es mit uns allen besser, als wir gegenwärtig hoffen können. Meine Frau ist herzlich bekümmert um die liebe Nanette, und grüßt sie voll Theilnahme und Liebe. Der kleine Karl ist gottlob recht wohl, und auch mit mir geht es jetzt recht leidlich. Tausend herzliche Grüße an alle

Ihr                  
ewig gehorsamster Sohn
F. S.