Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena 22. Nov. [Dienstag] 96.

Wahrscheinlich werden Sie Humboldten morgen sehen, der auf einige Tage nach Erfurt verreißt. Er wünscht sehr, den Abend mit Ihnen zubringen zu können. Er bringt auch das Xte Horenstück mit, wobey ich Sie auf eine Erzählung Agnes von Lilien aufmerksam mache.

Sie haben vielleicht das neueste Stück vom Archiv der Zeit schon gesehen, wo ein Ausfall auf Sie vom alten Klopfstock sich befindet. Es hat ihn verdrossen, das Sie in Ihren Epigrammen vom vorigen Jahr sich beklagen, deutsch schreiben zu müssen, und er macht daher seinem Unwillen in einem Epigramme Luft, das freilich sehr kläglich ist. Dieses steht in einer Fortsetzung seiner grammatischen Gespräche, und das Urtheil!! spricht:

„Goethe! du dauerst dich, daß du mich schreibest? Wenn du mich kenntest,
  Wäre dieß dir nicht Gram. Goethe, du dauerst mich auch!

Humboldt wird Ihnen auch von einer Recension des jungen Schlegels über Woldemar und von einem fulminanten grünen Brief Jacobis über diese Recension erzählen, was Sie sehr belustigen wird. Es steht auch schon etwas über unsere Xenien in diesem Briefe.

Wann werden wir Sie aber wieder einmal hier sehen? Ich sehne mich herzlich darnach; es ist mir als wenn mir etwas an dem Element fehlte, worinn ich leben soll.

Cotta beklagt sich, daß ihm Escher auf die ihn abgeschickte Geldanweisung und auf drey Briefe noch nicht geantwortet. Er mußte ihm das Geld anweisen, weil damals keine fahrende Post in jene Gegend gieng.

Sobald der neue Almanach fertig ist, sende ich ein Exemplar davon durch Eschern an Meyer ab. Grüßen Sie diesen recht herzlich von uns.

Ich habe Besuch und muß schließen. Leben Sie recht wohl.

Sch.