Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena 24. Jan. [Dienstag] 97. 

Nur zwey Worte für heute. Ich hoffte, nach Ihrem letzten Brief, Sie schon seit etlichen Tagen hier zu sehen. Die paar heitern Tage haben mich auch wieder in die Luft gelockt und mir wohlgetan. Mit der Arbeit gehts aber jetzt langsam, weil ich gerade in der schwersten Krise bin. Das seh ich jetzt klar, daß ich Ihnen nicht eher etwas zeigen kann, als biß ich über alles mit mir selbst im reinen bin. Mit mir selbst können Sie mich nicht einig machen, aber mein Selbst sollen Sie mir helfen mit dem Objekte übereinstimmend zu machen. Was ich Ihnen also vorlege, muß schon mein Ganzes seyn, ich meine just nicht mein ganzes Stück, sondern meine ganze Idee davon. Der radikale Unterschied unserer Naturen, in Rücksicht auf die Art, läßt überhaupt keine andere, recht wohlthätige Mittheilung zu, als wenn das Ganze sich dem Ganzen gegenüber stellt; im einzelnen werde ich Sie zwar nicht irre machen können, weil Sie fester auf sich selbst ruhen als ich, aber Sie würden mich leicht über den Haufen rennen können. Doch davon mündlich weiter. 

Kommen Sie ja recht bald. Ich lege hier das neueste von Cellini bey, das neulich vergeßen wurde. 

Alles grüßt Sie. Die Humboldtin leidet doch viel bey ihren Wochen und es wird langwierig werden. 

Leben Sie recht wohl. 

S.