Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

[Jena den 27. Januar Freitag. 1797.]

Da Sie jetzt mit Farben beschäftigt sind, so will ich Ihnen doch eine Beobachtung mittheilen die ich heute, mit einem gelben Glase, gemacht. Ich betrachtete damit die Gegenstände vor meinem Fenster, und hielt es soweit horizontal vor das Auge, daß es mir zu gleicher Zeit die Gegenstände unter demselben zeigte, und auf seiner Fläche den blauen Himmel abspiegelte, und so erschienen mir an den hochgelb gefärbten Gegenständen alle die Stellen hell purpurfarbig, auf welche zugleich das Bild des blauen Himmels fiel, so daß es schien, als wenn die hochgelbe Farbe, mit der blauen des Himmels vermischt, jene Purpurfarbe hervor gebracht hätte. Nach der gewöhnlichen Erfahrung hätte aus dieser Mischung grün entstehen sollen, und so sah auch der Himmel aus, sobald ich ihn durch das Glas betrachtete, und nicht bloß darinn abspiegelte. Daß aber in dem letztern Fall purpur erschien, erklärte ich mir daraus, daß ich bey der horizontalen Lage des Glases durch die Breite deßelben also den dickern Theil sah, der schon ins röthliche fiel. Denn ich durfte bloß das Glas von der einen Seite zuhalten und die Gegenstände als wie in einen Spiegel hinein fallen lassen, so war da ein reines roth, wo vorher gelb gewesen. 

Ich sage Ihnen mit meiner Bemerkung schwerlich etwas neues, indessen wünschte ich zu wissen, ob ich mir das Phaenomen recht erklärte. Hienge es wirklich nur von der größern oder geringeren Verdichtung des Gelben ab, um mit dem Blauen bald Purpur bald Grün hervorzubringen, so wäre die Reciprocitaet dieser zwey letztern Farben noch interessanter. 

Haben Sie gelesen, was Campe auf die Xenien erwidert hat? Es geht eigentlich nur Sie an, und er hat sich auch höflich benommen, aber den Pedanten und die Waschfrau nur aufs neue bestätigt. Was das Archiv des Geschmacks und der Genius der Zeit zu Markte gebracht, haben Sie wohl schon gelesen, auch des WandsbeckerBoten klägliche Verse. 

Leben Sie recht wohl. Ich wünschte, daß Sie bald von allen lästigen Amtsgeschäften frey zur Muse zurückkehren möchten. 

S.


Bemerkungen

1 Zu S. 148. Z. 7. Zu den Antixenien von Campe, zu Meyer im Archiv der Zeit und ihres Geschmacks, zu Hennings Genius der Zeit und zu Claudius vgl. Boas, Schiller u. Goethe im Xenienkampf Bd. II.