Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena 10. May [Mittwoch] 97. 

Ich wurde gestern verhindert, Ihnen ein Wort zu sagen und hohle es heute nach. 

Auch mir hat Voss von Welttafeln geschrieben, die er Ihnen schicke; ich habe aber keine erhalten. Die Uebersetzung aus Ovid, die er mitgeschickt, ist sehr vortreflich, mit der Bestimmtheit und auch mit der Leichtigkeit des Meisters. 

Schade nur, daß er sich durch die elenden Streitigkeiten abhalten läßt, hieher zu kommen. Daß er lieber bei seinem Reichardt in Giebichenstein liegt, als zu uns kommt, kann ich ihm doch kaum vergeben. 

Ich bin neugierig, auf welche Art Sie seine Übersetzungsweise vertheidigen wollen, da hier der schlimme Fall ist, daß gerade das Vortrefliche daran studiert werden muß, und das Anstößige gleich auffällt. 

Es sollte mir leid thun, wenn Sie Ihren Moses zurücklegten. Freilich ist es eine sonderbare Collision, in die er mit den italienischen Dingen kommt: aber nach dem, was Sie mir schon davon sagten, hätten Sie däucht mir wenig mehr zu thun, als ihn zu dictieren. 

Ich freue mich auf Ihre Ankunft. Hier im freien werden wir noch einmal so gut unsre Angelegenheiten durchsprechen können. Leben Sie recht wohl. Alles grüßt Sie aufs beßte. 

Schiller.


Bemerkungen

1 Zu S. 191. Z. 22. Also auch an Sch. hatte Voß mit der Übersendung des Phaethon geschrieben. Zu Z. 26. Die elenden Streitigkeiten sind die Angriffe wegen der Xenien.
Zu S. 192. Z. 2. Vgl. X. Zu Z. 5. Goethe wollte seine Studien über die Bücher Mosis (vgl. zu Nr. 1183) wieder liegen lassen, um sich besser auf eine italienische Reise vorbereiten zu können.