Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Jena 2. Oct. [Montag] 97. 

Hier endlich der Musenalmanach; ich wünsche, daß er Euch Freude machte. Die Musik kommt über 8 Tage nach. 

Mit meiner Gesundheit geht es jetzt wieder besser, obgleich nach Abzug des Hustens die Krämpfe und die Schlaflosigkeit mich wieder stärker plagen. Mein kleiner Ernst hat uns in den letzten Wochen wieder sehr viele Sorge gemacht, er arbeitet an den Spitzzähnen, hat dabei immer Fieber und wird sehr geschwächt. Karl ist ganz wohl auf, und meine Frau ist auch vom Katarrh frei. 

Ich habe lange keine Nachricht von Euch. Schreib mir doch wie es steht. Goethe ist jetzt in der Schweiz bei Meier. Wohin sich Humboldt wird gewendet haben, weiß ich nicht. In seinem letzten Briefe, vor etwa 3 Wochen, schrieb er mir, daß er mit den ersten Tagen Octobers Wien verlassen und vielleicht nach Paris gehen würde. Sollte er Dir neuerlich geschrieben und eine andere Adresse als die nach Wien gegeben haben, so schreib mirs doch; ich weiß nicht, wo ich ihn finden kann, und möchte es gern vermeiden, meine Briefe und Pakete über Wien an ihn gelangen zu lassen, da man vor dem Erbrechen der Briefe nicht sicher ist. 

Ich mache mich jetzt wieder an den Wallenstein, werde aber wohl einige Zeit brauchen, mich wieder damit zu familiarisieren. Die Krankheit und dann der Almanach haben mir eine große Diversion gemacht. 

Lebe recht wohl. Wir umarmen Euch alle herzlich.

Dein 

S. 

Die Exemp. auf Schreibpapier sind noch nicht fertig. Um Dich nicht warten zu lassen, schick ich ein Ordinaires.

Soeben erhalte ich Deinen Brief. Es überraschte mich, daß Du den Ibykus durch Rackenitz eher als durch mich erhalten mußtest. Es ist dies eine Indiscretion von Bötticher, dem ich den Ibykus vor dem Abdruck communicierte, um gewiß zu wissen, daß ich nicht gegen altgriechisches Costüm verstoßen. – 

Die Trockenheit, die Du an dieser Ballade und auch am Polycrates bemerkst mag von dem Gegenstand wohl kaum zu trennen seyn; weil die Personen darinn nur um der Idee willen da sind, und sich als Individuen derselben subordinieren. Es fragte sich also bloß, ob es erlaubt ist, aus dergleichen Stoffen Balladen zu machen; denn ein größres Leben möchten sie schwerlich vertragen, wenn die Wirkung des Uebersinnlichen nicht verlieren soll. 

Ich habe von der Ballade keinen so hohen Begriff, daß die Poesie nicht auch als bloßes Mittel dabei statthaben dürfte.


Bemerkungen

1 Zu S. 268. Z. 23. Humboldts letzter Brief war am 15. Sept. bei Sch. eingetroffen.
Zu S. 269. Z. 13. Körner hatte in X. bei allem Lob über die Darstellung in den Kranichen bemerkt, sie hätten wie der Ring des Polykrates insofern etwas Trockenes, als ein Begriff vorherrsche. Die Einheit sie die Rache des Schicksals und der Nemesis. Der eigentliche Stoff der Ballade sei aber wohl höhere menschliche Natur in Handlung.