Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena 5. Dec. [Dienstag] 97. 

Nur einen Gruß kann ich Ihnen schreiben an diesem düstern Tage. Das Wetter drückt mich äuserst und macht alle meine Uebel rege, daß selbst die Arbeit mich nicht erfreut. 

Nach reiflich angestellten Ueberlegungen hab ich gefunden, daß ich besser thue, die zwei ärgsten Wintermonate noch hier zuzubringen. Der Januar u Februar sind gefährliche Monate für ich, weil ich schon zweimal von einer Lungenentzündung darinn heimgesucht worden bin, die leichteste Erkältung kann mir in dieser Periode dieses Uebel zuziehen, das ich jetzt nicht mehr wie sonst würde überstehen können. Bei einer solchen Disposition ist eine Veränderung der Gewohnheiten nicht zu wagen, und ans Ausgehen im Winter würde ich doch nicht denken dürfen in Weimar. Da aber das besprochene Logis äuserst eng ist, und die Kinder kaum darin unterzubringen, so wäre keine Existenz für mich. Dazu kommt, daß die nächsten 2 Monate für meine Arbeiten entscheidend sind, und also von außen mich nichts drücken darf. 

Einige Monate später werde ich ein Logis, das Ihnen nah ist, aufzutreiben suchen; das Wetter ist dann gelinder, ich kann über die Gaße gehen und alles wird mir leichter werden. 

Vielleicht komme ich an einem schönen Decembertage auf einen Besuch hinüber, und nach dem Neujahr werden wir Sie u Meiern, hoffe ich, hier haben können. 

Von Zumsteg in Stuttgart habe ich dieser Tage einen Brief erhalten, der mich wirklich freute. Er schreibt darin was ihn von unsern Gedichten im Almanach am meisten erfreut, und er hat wirklich – was wir lange nicht gewohnt sind zu erfahren – das beßere herausgefunden. Auch schreibt er, daß der Almanach in seiner Gegend eine allgemeine Sensation mache. 

Leben Sie recht wohl. Ich bin heute nicht im Stande was zu sagen. 

Sch.


Bemerkungen

1 Zu S. 294. Z. 26. Zumsteegs Brief vom 24. Nov. ist abgedruckt in Speidels und Wittmanns Bildern aus der Schillerzeit S. 45.