Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena 13 März [Dienstag] 98. 

Nachdem ich einmal ein vierzehn Tage erträglich wohl gewesen, und mir etwas Anstrengung zugemuthet, setzt sichs mir wieder in den Kopf und macht mich unlustig und unfähig zu allem. Freilich ist das Wetter auch wieder sehr rauh geworden. Dennoch hoffe ich meine Reise zu Ihnen, wiewohl nur auf Einen Tag, noch diese Woche ausführen zu können. Meine Absicht wird erreicht seyn, wenn ich Sie und Meiers Arbeiten sehe und eine bestimmte Gewißheit Ihrer Hierherkunft mit zurückbringe. 

Zu der Acquisition wünsche ich von Herzen Glück. Ich fühle bei meinem kleinen Besitzthum, wie viel Freude es gewährt, für sich und die Seinigen jetzt ein Stück Erde in Anspruch zu nehmen. 

Ich habe einen braven Menschen für Mouniers Institut aufgefunden, dem ich dadurch zu einer einstweilen Existenz verhelfe, während daß Mouniern mit ihm gedient seyn wird. 

Man sagt hier daß die Franzosen bei Murten eine Schlappe bekommen. Es sollte mich herzlich freuen, denn auch ein kleines Glück, und gerade an diesem Ort, würde am Anfang besonders sehr gute Folgen für die Schweizer haben. 

Ich habe diese Tage ein altes deutsches Ritterstück, das Sie wahrscheinlich längst vergessen haben, Fust von Stromberg wieder durchgelesen. Es läßt sich freilich sehr viel dagegen sagen, aber die Bemerkung habe ich dabey gemacht, daß der Dichter eine erstaunliche Macht über das Gemüth ausüben kann, wenn er nur recht viel Sachen und Bestimmungen in seinen Gegenstand legt. So ist dieser Fust von Stromberg zwar überladen von historischen Zügen und oft gesuchten Anspielungen, und diese Gelehrsamkeit macht das Stück schwerfällig und oft kalt; aber der Eindruck ist höchst bestimmt und nachhaltig, und der Poet erzwingt wirklich die Stimmung die er geben will. Auch ist nicht zu läugnen, daß solche Compositionen, sobald man ihnen die poetische Wirkung erläßt, eine andre allerdings sehr schätzbare leisten, denn keine noch so gut geschriebene Geschichte könnte so lebhaft und so sinnlich in jene Zeit hinein führen, als dieses Stück es thut. 

Leben Sie wohl. Mein Kopf ist ganz wüste. 

Meine Frau grüßt herzlich. 

S.


Bemerkungen

1 Zu S. 359. Z. 11. Goethe hatte ein Freigut in Oberroßla gekauft. Zu Z. 15. Den „braven Menschen“ weiß ich nicht zu nennen. Schs. Parteinahme für die Schweizer erklärt sich wohl durch die Freundschaft mit Meyer. Zu Z. 23. Fust von Stromberg, gedichtet 1782 von Jakob Maier.