Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Jena 27. April [Freitag] 98. 

Es hat diesen Winter u: Frühling ein rechter Unglücksstern über mir gewaltet, denn seit dem October bin ich schon das viertemal durch Krankheiten unterbrochen worden. Jetzt war ich wieder ganzer 14 Tage an einem Katarrhfieber krank1 und mußte sogar etliche Tage das Bette hüten; es hat mich sehr angegriffen, besonders ist mir der Kopf ganz verwüstet. Vorher war Goethe 14 Tage hier2, wo ich auch wenig arbeitete; so daß ich jetzt anhaltend 5 Wochen für meine Arbeit so gut als ganz verloren habe, und wenigstens ebensoviel Zeit während des Winters. Das schlimmste ist, daß ich, außer der Zeit, auch noch die Lust an meiner Arbeit verloren, und sie vielleicht in vielen Wochen nicht wiederfinde. 

Deine Critik des Almanachs hat Göthen viel Vergnügen gemacht, er hat sich lange damit beschäftigt. In dem aber, was Du über den Ibykus u: Polykrates sagst, und was ich auch für gar nicht ungegründet halte, ist er nicht Deiner Meinung und hat sich beider Gedichte nachdrücklich gegen Dich und gegen mich selbst angenommen. Er hält Deinen Begriff, aus dem Du sie beurtheilst und tadelst, für zu eng, und will diese Gedichte als eine neue, die Poesie erweiternde Gattung angesehen wissen. Die Darstellung von Ideen so wie sie hier behandelt wird, hält er für kein Dehors der Poesie, und will dergleichen Gedichte mit denjenigen welche abstrakte Gedanken symbolisieren, nicht verwechselt wissen etc. Dem sei wie ihm wolle, wenn auch die Gattung zuläßig ist, so ist sie wenigstens nicht der höchsten poetischen Wirkung fähig; und es scheint daß sie deßwegen etwas ausserhalb der Poesie zu Hülfe nehmen müsse, um jenes fehlende zu ergänzen. 

Wir sind noch in der Stadt, meine Krankheit und das noch rauhe Wetter haben mir noch nicht erlaubt in den Garten zu ziehen. Dort hoffe ich nach und nach wieder Stimmung zur Arbeit zu finden. Ifland spielt gegenwärtig wieder 8 Tage in Weimar. Schröder hat Lust auf das Spätjahr auch dahin zu kommen und den Wallenstein zu spielen. Ich fürchte aber, daß dieser, wenigstens die Ausarbeitung für das Theater, nicht so früh fertig werden kann, um noch vor dem Herbst einstudiert zu werden. 

Huber ist jetzt in Tübingen und ein Gehülfe Posselts bei der neuen Weltkunde. Wie hat er sich doch seine ganze Lebensbestimmung verdorben. Er ist zu einer immensen Schriftstellerey genöthigt, um zu existieren. 

Lebe recht wohl. Wir umarmen euch herzlich und die Kinder. Meine kleine Familie befindet sich recht wohl, wie auch meine Frau. 

Dein 

Sch.


1 Vom 11. bis 25. April. Kalender 60.
2 Vom 20. März bis 6. April.


Bemerkungen

1 Zu S. 371. Z. 16. Vgl. Nr. 1305.