Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Jena 15 Aug. [Mittwoch] 98. 

Mein Briefgen durch Graf Moltke wirst Du nun erhalten haben. Ich wünsche Glück zu eurer Wiederankunft in Dresden; solche Expeditionen sind freilich nicht sehr ergötzlich, besonders für Leute unserer Art, und Du must, Dich mit den möglichen guten Früchten trösten; wenn ihr nur nicht wieder getäuscht werdet. 

Ich habe übrigens während Deiner Abwesenheit nicht viel thätiger gelebt, was das Producieren betrifft. Es fehlt mir dieses Jahr an aller Lust zum lyrischen, ja ich habe sogar eine Abneigung dagegen1, weil mich das Bedürfniß des Almanachs, wider meine Neigung, aus den beßten Arbeiten am Wallenstein wegrief. Ich habe es auch verschworen, daß der Almanach außer dieser nur noch eine einzige Fortsetzung erleben und dann aufhören soll. Ich kann die Zeit die mir die Redaction und der eigne Antheil wegnimmt, zu einer höhern Thätigkeit verwenden; Die Kälte des Publicums gegen lyrische Poesie und die Gleichgültige Aufnahme meines Almanachs, die er nicht verdient hat, machen mir eben nicht viel Lust zur Fortsetzung; deßwegen werde ich, wenn der Wallenstein mir gelungen ist, beim Drama bleiben und in den übrigen Stunden theoretische und kritische Arbeiten treiben. 

Mit meiner Gesundheit bin ich diesen Sommer recht leidlich gefahren, auch die übrige Familie hat sich sehr wohlauf befunden. Hätten wir einander nur dieses Jahr sehen können; aber es war keine Möglichkeit vorauszuwissen, daß ich, trotz meines Hierbleibens, nicht viel weiter in meiner Arbeit kommen würde, als wenn ich diese Zeit meinem Vergnügen gewidmet hätte. Es ist mir der Gedanke gekommen, ob wir uns nicht, etwa Anfang Octobers, wenn ich den Almanach vom Halse habe, an einem dritten Ort, vielleicht in Wurzen, sehen könnten, um uns doch wieder zu sehen, etwa auf drey Tage. 

Man ließ die Kinder zu Hause, ihr brächtet vielleicht Geßlern ich Göthe mit. Auch machte mirs eine wahre Lust, euch d Wallenstein zu lesen, soweit er fertig ist, und so jenen immer unvergeßlichen Abend anno 1787, wo ich die letzten Acte des Carlos euch vorlas, zu wiederhohlen. Denn ich muß gestehen, daß Ihr, Humboldts, Göthe und meine Frau, die einzigen Menschen sind, an die ich mich gern erinnere, wenn ich dichte und die mich dafür belohnen können, denn das Publicum, so wie es ist, nimmt einem alle Freude. 

Ich habe Göthen dieser Tage die zwey letzten Akte des Wallensteins gelesen2, soweit sie jetzt fertig sind, und den seltenen Genuß gehabt, ihn sehr lebhaft zu bewegen, und das ist bei ihm nur durch die Güte der Form möglich, da er für das Pathetische des Stoffes nicht leicht empfänglich ist. 

Hier lege ich ein Gedicht3 bei, das fertig ist, in etwa 8 Tagen schicke ich ein anderes. 

Herzlich umarmen wir euch. 

Dein 

S.


1 Die er wenige Tage darauf überwunden hatte. Am 18. Aug. begann er den Kampf mit dem Drachen, am 27. die Bürgschaft. S. Kalender 65.
2 Nach dem Kalender am 15. August.
3 Das Glück. S. Schr. 11, 269 vgl 4, 85.


Bemerkungen

1 Abgesandt am 16. August.
S. 414. Z. 2. a. wegriß.
Zu S. 413. Z. 24. nach K. war der Brief durch Moltke vom 6. August. Körner scheint ihn überhaupt nicht erhalten zu haben und er fehlt. Zu Z. 25. Körner hatte in X. seine Rückkunft aus Zerbst gemeldet.
Zu S. 414. Z. 30. Nach K. fand diese Vorlesung erst am 15. Aug. statt. Wenn auch nun der Schluß unseres Briefes erst am 16. geschrieben sein kann, ist der Ausdruck „dieser Tage“ immerhin auffallend.
Zu S. 415. Z. 1. Das Gedicht: Das Glück.