Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena 21. Sept. [Freitag] 98. 

Ich habe vorgestern keinen Brief von Ihnen erhalten und hoffe, daß es nichts zu bedeuten hat. Nachdem ich eine Woche bei Ihnen zugebracht, ist es mir ganz ungewohnt so lange nichts von Ihnen zu hören. 

Eine schlaflose Nacht, die ich heute gehabt und die mir den ganzen Tag verdorben, hat mich verhindert, den Prolog noch für heute zu expedieren: überdieß hat der Abschreiber mich sitzen lassen. Ich denke, in der Gestalt, die er jetzt bekommt, soll er als ein lebhaftes Gemählde eines historischen Moments und einer gewißen soldatischen Existenz ganz gut auf sich selber stehen können. Nur weiß ich freilich nicht, ob alles was ich dem Ganzen zu lieb darinn aufnehmen mußte, auch auf dem Theater wird erscheinen dürfen. So ist z. b. ein Capuziner hinein gekommen, der den Kroaten predigt, denn gerade dieser charakterzug der Zeit und des Platzes hatte mir noch gefehlt. Es ligt aber auch nichts dran, wenn er von dem Theater wegbleibt. 

Humboldt hat geschrieben, und empfiehlt sich Ihnen. Ihren Brief nebst dem Gedicht hat er erhalten, und wird Ihnen ehestens antworten. Mit unserm Arrangement mit seinem Werk ist er wohl zufrieden, aber er hat keine rechte Zuversicht zu seinem Werke, seine natürliche Furchtsamkeit kommt noch dazu, daß er der wirklichen Erscheinung mit einer gewißen Bangigkeit entgegen sieht. Er hat auch Vieweg empfohlen nur 500 Exempl. abziehen zu lassen, worinn ihm dieser hoffentlich nicht willfahren wird; denn ich zweifle nicht sowohl daran, daß man die Schrift nicht kauft, als daß man sie ließt. Kaufen wird man sie schon des Gedichtes wegen. 

Er schreibt auch ein paar Worte von Retif, den er persönlich kennt, aber nichts von seinen Schriften. Er vergleicht sein Benehmen und Wesen mit unserm Richter, die Nationaldifferenz abgerechnet; mir scheinen sie sehr verschieden. 

Um auf meinen Prolog zurückzukommen, so wäre mirs lieb, wenn ein andres passendes Stück und keine Oper damit könnte verbunden werden; denn ich muß ihn mit vieler Musik begleiten lassen, er beginnt mit einem Lied und endigt mit einem; auch in der Mitte ist ein klein Liedchen, er ist also selbst klangreich genug, und ein ruhiges moralisches Drama würde ihn also wahrscheinlich am beßten herausheben, da sein ganzes Verdienst bloß Lebhaftigkeit sein kann. 

Leben Sie recht wohl. Ich warte mit Verlangen auf Nachricht von Ihnen. Meyern viele Grüße, er möchte sich doch des Bechers erinnern. 

S.


Bemerkungen

1 Goethe kam am 22. Sept. nach Jena. Zwei Briefe von ihm vom 21. Sept. kreuzten sich mit Nr. 1383. Diese beiden sind in K. fälschlich unter dem 19. Sept. eingetragen.