Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Jena, 30. September [Sonntag] 1798.

Deine Antwort auf meinen Brief beweist mir, woran ich nie gezweifelt, daß Du Deinen Verhältnissen die beste Seite abzugewinnen weißt. Ich kann auf Deine Gründe nichts weiter sagen, Du kennst die äußeren Umstände besser als ich, ich kenne bloß Dich selbst. Daß wir einander von Leipzig aus näher gewesen seyn würden, ist keine Frage; denn außerdem, daß ich mir aus kleinen Tagereisen nichts mache, und wir uns also hätten alle sechs Wochen in Weißenfels sehen können, so hättest Du, wenn Du in Leipzig wohntest, keine Leipziger Reisen mehr nöthig, und hättest also mit deiner Familie Deine Ferien ganz hier zubringen können. Da wir im Garten wohnen, so wäre meine Wohnung in der Stadt immer für Dich parat gewesen etc. Ich erwähne dies nur, um zu zeigen, daß meine Erwartungen nicht so chimärisch waren. 

Goethe hat mir keine Ruhe gelassen, bis ich ihm meinen Prolog zu Eröffnung der theatralischen Wintervorstellungen und eines renovirten Theatergebäudes überließ. In zehn Tagen wird er also in Weimar gespielt werden1. Ich hab ihn, damit er unabhängig vom Stücke gespielt werden könne, beträchtlich und gewiß um die Hälfte vermehrt, mit sehr viel neuen Figuren besetzt; und wirklich ist er jetzt ein sehr lebhaftes Gemälde eines Wallensteinschen Kriegslagers. Die Vorstellungen in Weimar dienen mir zu einer bequemen Theaterschule für das Stück, und setzen mich in den Stand, ihn, ehe ich ihn drucken lasse, oder an andere Theater überlasse, zu einem sinnlichen öffentlichen Eindruck desto fähiger zu machen. Ich wollte wohl, daß Du auch der Vorstellung beiwohnen könntest; aber freilich verdient die Kunst unserer Schauspieler es nicht, daß man ihnen nachreist. 

Das Stück selbst habe ich nun, nach reifer Ueberlegung und vielen Conferenzen mit Goethe, in zwei Stücke getrennt, wobei mich die schon vorhandene Anordnung sehr begünstigt hat. Ohne diese Operation wäre der Wallenstein ein Monstrum geworden an Breite und Ausdehnung, und hätte, um für das Theater zu taugen, gar zu viel Bedeutendes verlieren müssen. Jetzt sind es mit dem Prolog drei bedeutende Stücke, davon jedes gewissermaßen ein Ganzes, das letzte aber die eigentliche Tragödie ist. Jedes der zwei letztern hat fünf Acte, und dabei ist der glückliche Umstand, daß zwischen dem Act die Scene nie verändert wird. Das zweite Stück führt den Namen von den Piccolominis, deren Verhältniß für und gegen Wallenstein es behandelt. Wallenstein erscheint in diesem Stücke nur einmal, im zweiten Acte, da die Piccolominis alle vier übrigen als Hauptfiguren besetzen. Das Stück enthält die Exposition der Handlung in ihrer ganzen Breite, und endigt grade da, wo der Knoten geknüpft ist. Das dritte Stück heißt Wallenstein und ist eine eigentliche vollständige Tragödie: die Piccolomini können nur ein Schauspiel, der Prolog ein Lustspiel heißen. 

In Rücksicht auf die Repräsentationen wird auch das noch gewonnen, daß das Theaterpersonal jetzt nicht mehr so groß zu seyn braucht; denn in den Piccolomini kommen zwei bis drei Personen vor, die im Wallenstein nicht mehr erscheinen, und hier sind einige andere, die dort nicht vorkommen. Beide können nun von denselben Schauspielern besetzt werden, und was dieser kleinen Vortheile mehr sind, besonders das Memoriren der Rollen. Auch rechne ich es als einen bedeutenden Gewinn für das Stück, daß ich das Publicum, indem ich es durch dreierlei Repräsentationen führe, desto besser in meine Gewalt bekommen werde.

Ich sehe mich also jetzt um ein completes 5 Actenstück reicher, und kann auf einmal drei Schauspiele zu Markte bringen. Diese Veränderung hat mir allerdings neue Arbeit gemacht: denn um den zwei ersten Stücken mehr Selbstständigkeit zu geben, habe ich einige neue Scenen und mehrere neue Motive nöthig; aber die Arbeit erneuet mir auch die Lust, und sie ist unendlich angenehmer für mich, als die entgegengesetzte war, dem Stücke zu nehmen, und es in einen engern Raum zu pressen. 

Du mußt mir nicht übelnehmen, daß ich Dir noch nichts vom Almanach geschickt habe. Da wir dieses Jahr nicht ganz so reich sind, als im vorigen, und doch nicht gern ärmer vor Dir erschienen wollten, so solltest Du alles auf einmal erhalten. Uebermorgen kann ich Dir die fertigen Bogen alle vollständig zusenden, denn heute kommt der letzte in die Presse. 

Goethe grüßt Dich. Ich hab ihm Deinen letzten Brief mitgetheilt, und er findet auch, daß Du Deine Lage so gut nimmst als es möglich ist, und daß sich gegen Deine Gründe nichts einwenden lasse. 

Herzlich umarmen wir Euch alle. Die Kinder, so wie wir selbst sind recht wohl, und überhaupt haben wir uns diesen Sommer ziemlich wohl befunden. 

Dein 

S.2


1 Geschah am 12. Oct. 1798.
2 Es fehlt eine Sendung Schillers an Körner vom 9. Oct. 98, die vielleicht nur in der Übermittelung des Almanachs ohne Brief bestand.


Bemerkungen

1 Zu S. 436. Z. 7. Sch. hatte gewünscht, Körner würde an der Universität Leipzig angestellt werden. Zu Z. 16. Körner hatte gemeint, Sch. würde sich ebensowenig zu einer Reise nach Leipzig als nach Dresden entschließen. Sie würden also nur auf der Landkarte einander näher sein. Zu Z. 19. Nach K. hatte Sch. am 29. Sept. Wallensteins Lager dem Theater eingeliefert. Aufgeführt wurde er erst den 12. Okt.