Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Jena, 29. October [Montag] 1798.

Wenn ich Dir sage, daß ich in neun Wochen die zwei noch übrigen Wallensteinschen Schauspiele auf die Bühne zu bringen habe, so wirst Du Nachsicht mit meiner Saumseligkeit im Schreiben haben. In der That habe ich absolut keinen Begriff davon, wie ich in diesem Zeitraum fertig werden soll, da außer einigen Bogen, die ganz neu zu machen sind, jede Scene in diesen zehn Acten zu retouchiren ist. Aber grade diese Nothwendigkeit, das Ganze in einem kurzen Zeitraum schnell durch den Kopf zu treiben, wird ihm gut thun, und auf das Total einen glücklichen Einfluß haben. 

Das Vorspiel ist nun in Weimar gegeben. Die Schauspieler sind freilich mittelmäßig genug; aber sie thaten was sie konnten, und man mußte zufrieden seyn. Die Neuerung mit den gereimten Versen fiel nicht auf, die Schauspieler sprachen die Verse mit vieler Freiheit, und das Publicum ergötzte sich. Uebrigens ist es ergangen, wie wir erwarteten. Die große Masse staunte und gaffte das neue dramatische Monstrum an, einzelne wurden wunderbar ergriffen. Du kannst, wenn die Allgemeine Zeitung von Posselt in Dresden zu haben ist, das Nähere über diese Wallensteinschen Repräsentationen in Weimar gedruckt lesen; denn Goethe hat sich den Spaß gemacht, diese Relationen selbst zu machen, daß er sie Böttiger aus den Zähnen reiße. Kannst Du aber die Zeitung nicht bekommen, so will ich Dir sie schicken. 

Es freut mich, daß der Almanach Euch Vergnügen gemacht hat, und daß die Balladen Glück machen, ist mir besonders lieb. Glaube nicht, daß ich diese Gattung so leger tractire; sie wird mir leicht, weil ich darüber klar bin – und in keiner, möcht ich sagen, bin ich mir der freien Kunstthätigkeit so deutlich bewußt. Auch wirst Du finden, wenn Du diese zwei Balladen kritisch untersuchen willst, daß ich sie mit ganzer Besonnenheit gedacht und organisirt habe. 

Das Bürgerlied, weiß ich wohl, kann nicht allgemein interessiren; aber das liegt mehr am trockenen Stoff, als an den mythischen Maschinen – diese sind vielmehr das einzige Lebendige darin: denn der Teufel mache etwas Poetisches aus dem unpoetischsten aller Stoffe. 

Für das beste im Almanach halte ich aber, und Goethe auch, den Prolog zum Wallenstein1. Er hat auch in Weimar, sowohl beim Lesen, als beim Recitiren selbst viel Sensation gemacht. 

Wir freuen uns auf Deinen kritischen Brief über den Almanach. Sieh daß Du ihn bald schickst. Goethe ist auch recht begierig danach. 

Den dramatischen Prolog sollst Du erhalten, sobald er ins Reine geschrieben ist. 

S. 

Schreib mir auch im nächsten Briefe, wie Du künftig zu tituliren bist.


1 Zu Wallensteins Lager S. 241.


Bemerkungen

1 Zu S. 455. Z. 7. Gemeint sind der Kampf mit dem Drachen und die Bürgschaft. Zu Z. 12. Körner meinte in X., das fremde Costüm benehme dem Bürgerlied die Popularität. Zu Z. 21. Der dramatische Prolog ist Wallensteins Lager.