Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Karl Böttiger

Jena, den 1. März [Freitag] 1799.

Sie sprachen in ihren Bemerkungen mehreres treffend und glücklich aus, was ich in das Stück habe legen wollen und dem Takt des Zuschauers überlassen mußte, heraus zu fühlen, daß mich diese Versicherung meiner gelungenen Absicht nothwendig erfreuen muß. Freilich konnte die Intention des Poeten nicht überall deutlich erscheinen, da zwischen ihm und dem Zuschauer der Schauspieler stand, nur meine Worte und das Ganze meines Gemähldes können gelten. 

So lag es z. B. nicht in meiner Absicht, noch in den Worten meines Textes, daß sich Octavio Piccolomini als einen so gar schlimmen Mann, als einen Buben, darstellen sollte. In meinem Stück ist er das nie, er ist sogar ein ziemlich rechtlicher Mann, nach dem Weltbegriff, und die Schändlichkeit, die er begeht, sehen wir auf jedem Welttheater von Personen wiederholt, die, so wie er, von Recht und Pflicht strenge Begriffe haben. Er wählt zwar ein schlechtes Mittel, aber er verfolgt einen guten Zweck. Er will den Staat retten, er will seinem Kaiser dienen, den er nächst Gott als den höchsten Gegenstand aller Pflichten betrachtet. Er verräth einen Freund, der ihm vertraut, aber dieser Freund ist ein Verräther seines Kaisers, und in seinen Augen zugleich ein Unsinniger. 

Auch meiner Gräfin Terzky möchte etwas zu viel geschehen, wenn man Tücke und Schadenfreude zu Hauptzügen ihres Charakters machte. Sie strebt mit Geist, Kraft und einem bestimmten Willen nach einem großen Zweck, und ist freilich über die Mittel nicht verlegen. Ich nehme keine Frau aus, die auf dem politischen Theater, wenn sie Charakter und Ehrgeiz hat, moralischer handelte. 

Indem ich diese beiden Personen in Ihrer Achtung zu restituiren suche, muß ich den Wallenstein selbst, als historische Person, etwas in derselben herunter setzen. Der historische Wallenstein war nicht groß, der poetische sollte es nie seyn. Der Wallenstein in der Geschichte hatte die Präsumtion für sich, ein großer Feldherr zu seyn, weil er glücklich, gewaltthätig und keck war, er war aber mehr ein Abgott der Soldateska, gegen die er splendid und königlich freygebig war, und die er auf Unkosten der ganzen Welt in Ansehen erhielt. Aber in seinem Betragen war er schwankend und unentschlossen, in seinen Planen phantastisch und excentrisch, und in der letzten Handlung seines Lebens, der Verschwörung gegen den Kaiser, schwach, unbestimmt, ja sogar ungeschickt. Was an ihm groß erscheinen, aber nur scheinen konnte, war das Rohe und Ungeheure, also gerade das, was ihn zum tragischen Helden schlecht qualificirte. Dieses mußte ich ihm nehmen, und durch den Ideenschwung, den ich ihm dafür gab, hoffe ich ihn entschädigt zu haben.

Wenn die Wallensteinischen Stücke ein Jahr lang gedruckt durch die Welt gelaufen sind, kann ich vielleicht selbst ein paar Worte darüber sagen. Jetzt liegt mir das Produkt noch zu nahe vor dem Gesicht, aber ich hoffe, jedes einzelne Bestandstück des Gemähldes durch die Idee des Ganzen begründen zu können. 

Fr. Schiller.


Bemerkungen

1 Zu S. 13. Z. 22. Böttiger hatte in dem erwähnten Aufsatz über Oktavio geschrieben: „Dem Buben, der hier horcht, ist selbst das sichtbare Auflauschen Verrat.“ Goethe schreibt am 6. März 1799 mit Bezug auf Böttiger: „Es paralysirt nichts mehr als irgend ein Verhältniß zu solchen Schuften, die sich unterstehen können, den Oktavio einen Buben zu nennen.“ Der Ausdruck Schufte richtet sich hier wohl nicht, wie öfters angenommen wird, ganz allgemein gegen die, welche Oktavio für einen Buben halten, sondern auf solche Leute wie Böttiger, die charakterlos sind und Vertrauen mißbrauchen, und dabei noch die Dreistigkeit haben, Oktavio einen Buben zu nennen. Irre ich nicht, hat schon vor Jahren Herr Professor Dr. Neubauer in einer Sitzung der Berliner litterarischen Gesellschaft diese Deutung der Goetheschen Worte vorgetragen.
Böttiger selbst erklärte sich in Z. durch Schillers Ausführungen für bekehrt. „Diesem älteren Piccolomini,“ schreibt er, „habe ich auf jeden Fall eine amende honorable abzulegen, und werde es zu seiner Zeit gern thun.“ Ob er es gethan, kann ich nicht gewiß sagen. Vielleicht aber ist er der Verfasser des Schreibens aus Weimar vom 4. Julius 1799. Über Wallensteins Tod in Rambach und Feßler, Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmackes, Berlin 1799, August (abgedruckt bei Braun: Schiller und Goethe im Urtheil ihrer Zeitgenossen. Schiller II. 370). Hier heißt es: „Ifflands meisterhaftes Spiel wird hier der Schlußstein zu dem veredelten Gemälde seines Octavio Piccolomini, der, im Vorbeigehen gesagt, nach der Entscheidung des Dichters selbst, die ich aus dessen Munde habe, durchaus in dem schonenden Sinne genommen werden soll, aus dem ihn Iffland dargestellt hat.“