Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena 1. März [Freitag] 1799. 

Nach acht Wochen Stillstand beginnt also das Commercium durch die Botenfrau wieder. Ich glaube in eine viel ältere Zeit zu blicken, als es wirklich ist. Das theatralische Wesen, der mehrere Umgang mit der Welt, unser anhaltendes Beisammenseyn haben meinen Zustand indessen um vieles verändert, und wenn ich erst der Wallensteinischen Massa werde los seyn, so werde ich mich als einen ganz neuen Menschen fühlen. 

Körner hat geschrieben, ich lege seinen Brief bey. Das Humboldtische Werk scheint auch bei ihm kein Glück zu machen, es ist wirklich nöthig, daß man einen paßenden Auszug daraus irgendwo vor das Publikum bringe, daß das Gute und Schätzenswerthe seiner Ideen in Cours gesetzt wird. Wie gut ist es übrigens, daß Sie bei den Propyläen nicht auf Humboldt gerechnet haben, da man sieht, wie es ihm bei allem Scharfsinn und Geist nicht möglich ist, den Leser fest zu halten. Es ist doch eine sonderbare Erscheinung, daß er, indem er der Flachheit und dilettantischen Leichtigkeit, welche sonst die autores nobiles charakterisiert, zu entgehen suchte, in diese trockne Manier verfallen mußte. 

Ich erhielt heute einen Brief von der Schimmelmann, der mir einen sehr schicklichen Anlaß giebt, die bewußte Sache anhängig zu machen. Auch erfuhr ich darinn zu meinem nicht geringen Erstaunen, daß Wallensteins Lager in Coppenhagen ist, denn es ist da bei Schimmelmanns vorgelesen und sogar an seinem Geburtstag von guten Freunden aufgeführt worden. Ich wüßte keinen andern Weg als von Weimar aus, und fürchte daß ubique auch hier seine Hand im Spiel habe. Haben Sie doch die Güte es zu untersuchen, und besonders bitte ich, die Piccolomini zu sich ins Haus zu nehmen; denn es wäre doch ein fataler Streich, wenn die Sachen in der Welt herum liefen. Auf Ifland kann ich keinen Verdacht haben. Ubique hat neuerlich in Coppenhagen Mäkeley getrieben, und von seiner Indiscretion ist alles zu erwarten. 

Ich kann Ihnen heute nichts mehr sagen, die Post drängt mich und ich muß auch den Ubique abfertigen. Leben Sie recht wohl, Meiern viele Grüße. Meine Frau empfiehlt sich beßtens, sie hat gestern der Loderischen Comödie beigewohnt und sich ganz artig amusiert.

S.


Bemerkungen

1 Zu S. 12. Z. 3. Goethe war vom 27. Febr. bis 21. März in Jena. Zu Z. 10. Körners Brief vom 20. Febr. (eingetr. d. 1. März). Gemeint ist sein Urteil über Humboldts Schrift: Aesthetische Versuche über Goethes Hermann u. Dorothea. Zu Z. 22. Gemeint ist wohl Charl. v. Schimmelmanns Brief an Schillers Frau vom 16. Febr. Die bewußte Sache, die Schiller anhängig machen wollte, kenne ich nicht. Über Böttigers Indiscretion und Unwahrhaftigkeit nach ihrer Entdeckung vgl. Arch. f. Littgesch. IX. 339 u. XV. 388.
Zu S. 13. Z. 2. Mäckeley = Makelei, d. i. Thätigkeit als Makler.