Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Jena den 15. Jul. [Montag] 99.

Es waltet ein unholder Geist über Ihren guten Vorsätzen und Hofnungen für diesen Sommer, der sich, besonders nach der glücklichen Entledigung vom MusenAlmanach, so gut anließ, und noch dazu läßt sichs gewißen Leuten nicht einmal begreiflich machen, welches das Opfer ist, das Sie bringen. Wenn Sie indessen nur gewiß in 14 Tagen loskommen und für eine längere Zeit, so ist noch immer Hofnung, daß etwas wesentliches noch geschehen kann. 

Ihre lange Abwesenheit macht, daß auch ich keine Anregung von außen erhalte und bloß in meinem Geschäft lebe. Mit den Philosophen, wie Sie wissen, kann man jetzt nur in der Charte spielen, und mit den Poeten wie ich höre nur kegeln. Denn man sagt, daß Kotzebue, der aber jetzt abwesend ist, dieses einzige gesellschaftliche Vergnügen hier genoßen habe. 

Senden Sie doch recht bald ein Exemplar der Propylaeen nach Berlin, um dort, ehe es durch den Weg des Buchhandels dahin kommt, einen Rumor zu erregen. Man sollte wirklich suchen, Gegenschriften zu veranlassen, wenn sie nicht von selbst kommen; denn an der Schadenfreude faßt man die Menschen am sichersten. Es würde deßwegen auch nicht übel seyn, wenn man den Aufsatz vom Kunstsammler auch schon in der Anzeige, die man im Poßelt davon macht, als etwas Polemisches darstellte. 

Haben Sie denn über den Dilettantism indessen nicht weiter nachgedacht? Ich sehnte mich nach einer solchen Anregung und würde gern meine Gedanken dazu beisteuern, wenn ich den activen Zustand des gesammelten Materials vor Augen hätte. Wenn es abgeschrieben ist und Sie es nicht brauchen, so senden Sie mirs doch. 

Sie werden vielleicht davon gehört haben, daß der hiesige Postverwalter Becker den Botenweibern ihr Postwesen legen will, und diese jetzt keine Pakete bloß Briefe, die sich verbergen lassen, mitnehmen können. Wenn man ihnen doch ihr altes Gewerbe wieder herstellen könnte! Dieser Becker ist ein miserabler Patron, und auch außer seinen Chicanen als Postmeister ein böses Mitglied des hiesigen gemeinen Wesens, da er allen Ordensunfug und andere Liederlichkeiten hegt. 

Leben Sie recht wohl und lassen Sie uns diese paar Wochen vom July wo möglich noch etwas vom Dilettantism in Ordnung bringen. 

Die Frau grüßt aufs beste. 

Sch.


Bemerkungen

1 Zu S. 57. Z. 12. Goethe konnte von Weimar nicht fort, weil das neue Verhältnis zum preußischen Hofe eine Beschleunigung des Schloßbaues erforderlich machte. Zu Z. 22. Sch. spielte öfters mit Schelling und Niethammer Karten. Das Kegeln ist ein Hieb auf Kotzebue. Übrigens war Sch. an sich auch kein Verächter des Kegelspielens.